Was angeblich niemand wollte, weil es die SPÖ nur weiter schädigen würde, ist nun beschlossene Sache: Alfred Gusenbauer bleibt (vorerst) Bundeskanzler, Kronzprinz Werner Faymann wird geschäftsführender Vorsitzender der SPÖ.

Faymann selbst hat noch vor wenigen Tagen gesagt, dass er von dieser Lösung nichts hält, weil sie erstens für die Partei außerordentlich schwierig wäre und weil es zweitens einer Demontage Gusenbauers gleichkäme.

Das ist jetzt eingetreten. Gusenbauer wird von seiner eigenen Partei scheibchenweise demontiert. Will er künftig einen Beschluss fassen oder etwas durchsetzen, muss er Faymann, seinen bisherigen Koordinator in der Regierung, um Erlaubnis fragen.

Gusenbauer ist jetzt an der kurzen Leine der SPÖ. Und hat nun gar keine Kompetenzen mehr. Als Bundeskanzler kann er ohnedies nur als Moderator auftreten, eine Rolle, auf die er sich bisher allzu sehr beschränkt hatte. Jetzt hat er in der Partei auch nichts mehr zu reden.

Diese Rochade könnte man im Sinne Gusenbauers auch als Befreiungsschlag auslegen, immerhin ist er noch Kanzler. Noch. Er selbst soll im Parteipräsidium seinen Rücktritt angeboten haben. Das kam jenen, die genau darauf hingearbeitet hatten, dann aber doch etwas zu plötzlich. Solch ein einschneidender Schritt, der zweifellos eine schwere Regierungskrise ausgelöst hätte, war dem Wiener Bürgermeister Michael Häupl, der seit Wochen im Hintergrund die Fäden zieht und gegen Gusenbauer arbeitet, zu diesem Zeitpunkt zu heftig.

Werner Faymann, der in den vergangenen Wochen als Nachfolger Gusenbauers gepusht wurde, muss man zugutehalten, dass er sich in den vergangenen Tagen wirklich bemüht hatte, Gusenbauer nicht über die Klinge springen zu lassen.

Keine Frage, Faymann war geschmeichelt, als ihn die Parteigranden als letzte Rettung umworben hatten. Und keine Frage, Faymann fühlt sich zu Höherem berufen. Er wollte Parteichef werden. Und er will Kanzler werden. Die Umstände, unter denen dies nun passiert, können aber auch ihm nicht recht sein. Er läuft Gefahr, zwischen Regierung und Partei aufgerieben zu werden. Bis er tatsächlich zur Chance kommt, als Spitzenkandidat der SPÖ in Wahlen zu gehen, könnte er bereits massiv beschädigt sein. Andererseits: Ein erster Schritt auf diesem Weg ist getan.

Alfred Gusenbauer konnte am Montag seine politische Hinrichtung in der Partei nur aufschieben. Er wurde in den vergangenen Wochen derart massiv beschädigt, dass er sich davon kaum noch erholen wird. Dead Man Walking. Die Partei hat ihm ganz offen das Vertrauen entzogen. Auch wenn Faymann sagt, er gehe davon aus, dass Gusenbauer als Spitzenkandidat in die nächste Wahl gehen wird, welche Chancen hätte ein derart ramponierter Kandidat? Die ÖVP braucht nicht mehr viel tun, um ihn weiter zu desavouieren, das hat bereits die SPÖ erledigt.

Faymann ist also der kommende Mann. Für die ÖVP heißt das: ausrutschen lassen. Ihr Ziel wird es sein, alles zu unternehmen, dass sich Faymann nicht profilieren kann. Der wahrscheinliche künftige Kanzlerkandidat der SPÖ muss beschädigt sein.

Faymann ist zwar ein Pragmatiker und ein Mann der konstruktiven Kompromisse, aber warum sollte ihm die ÖVP jetzt solche zugestehen? Die Regierungsarbeit wird künftig nicht leichter werden.

Die neue Konstellation wird auch der ÖVP eine Führungsdiskussion aufzwingen: Sollte nicht auch sie sich nach einer neuen Kraft an der Spitze umsehen? Einer kennt die Antwort ganz bestimmt: Josef Pröll. - Sie sollte. (Michael Völker/DER STANDARD, Printausgabe, 17.6.2008)