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Eine neue EU-Richtlinie soll den Rechtsschutz von Opfern bei unfair vergebenen öffentlichen Aufträgen verbessern. Davon können die Opfer schiedsrichterlicher Fehlentscheidungen nur träumen.

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Rechtsschutz bei öffentlichen Auftragsvergaben ist nur effizient, wenn Verträge aufgelöst werden können, die gegen das Vergaberecht verstoßen. Dies gilt vor allem dann, wenn sie freihändig vergeben wurden, d. h. die Zuschlagserteilung direkt an einen Unternehmer erfolgte, ohne dass Mitbewerber an der Vergabe beteiligt waren. Fehlt dann die Möglichkeit, den Vertrag aufzuheben, so ist der übergangene Bieter auf Schadenersatz beschränkt, und der ist in der Praxis wirkungslos. Es wird nämlich kaum je der Nachweis gelingen, dass ein Unternehmer, wäre er am Verfahren beteiligt gewesen, das beste Angebot gelegt hätte und durch die Nichtberücksichtigung einen Schaden erlitten hat.

Schlupfloch in der Vergabepraxis Direktvergaben waren somit stets ein "Schlupfloch" in der Vergabepraxis. War der Vertrag einmal geschlossen, gab es dagegen die längste Zeit keine Abhilfe. Der Verstoß gegen das Vergaberecht blieb ohne Sanktion. In Österreich wurde zwar mit dem Bundesvergabegesetz 2006 die Möglichkeit eingeführt, Direktvergaben durch die Vergabekontrollbehörden für nichtig erklären zu lassen; allerdings nur bei offenkundiger Unzulässigkeit. Die Bestimmung war daher totes Recht.`

Nun hat nicht nur der Europäische Gerichtshof (Rs C-503/04 vom 18. 7. 2007) betont, dass Verträge nach einer unzulässigen Direktvergabe aufzuheben sind, insbesondere wenn es sich um langfristige Verträge handelt. Eine entsprechende Verpflichtung wurde auch in die Ende 2007 erlassene neue Rechtsmittelrichtlinie 2007/66/EG aufgenommen, um Direktvergaben zu verhindern und den übergangenen Bietern Rechtsschutz zu gewähren. Die Umsetzung hat bis spätestens 20. 12. 2009 zu erfolgen.

Unwirksame Verträge

Die Richtlinie verfügt, dass die Vergabekontrollbehörden Verträge für unwirksam erklären müssen, wenn diese ohne die Veröffentlichung der vorgeschriebenen Bekanntmachung vergeben wurden. Das Gemeinschaftsrecht kennt weder die Beschränkung auf Vergaben, an denen nur ein Unternehmer beteiligt war, noch das Erfordernis der offenkundigen Unzulässigkeit. Damit wird der Rechtsschutz bei Direktvergaben wesentlich ausgeweitet. Angreifbar werden erstmals auch Verhandlungs- und nichtoffene Verfahren, an denen zwar mehrere Bieter beteiligt sind, bei denen aber die erforderliche Bekanntmachung unterlassen wurde, obwohl die Voraussetzungen dafür nicht vorlagen. Für Bieter ist die Sanktionierung mangelnder Transparenz durch Unwirksamerklärung des Vertrags ein Fortschritt; für öffentliche Auftraggeber eine Belastung, weil die Vertragsaufhebung bis (mindestens) sechs Monate nach Abschluss beantragt werden kann und bis dahin Rechtsunsicherheit besteht.

Rechtsfolgen der Unwirksamkeit Was die Rechtsfolgen der Unwirksamkeit angeht, überlässt die Richtlinie diese Frage den Mitgliedstaaten: rückwirkende Aufhebung aller vertraglicher Verpflichtungen oder Beschränkung der Aufhebung auf die Verpflichtungen, die noch zu erfüllen sind. Praktisch ist dies sowohl für den Auftraggeber als auch den Auftragnehmer von großer Bedeutung: Müssen sie „nur“ damit rechnen, dass die Vertragsabwicklung gestoppt wird oder sind bereits ausgetauschte Leistungen rückzustellen? Letzteres erweist sich als schwierig: Bei Dienstleistungen ist eine Rückabwicklung ohnehin denkunmöglich und bei Bauaufträgen in den meisten Fällen wohl mit einem unverhältnismäßigen Aufwand verbunden. Einzig bei Lieferaufträgen wäre eine Rückabwicklungspflicht umsetzbar. Um Ungleichbehandlungen zwischen den einzelnen Auftragsarten zu vermeiden, sollte auf die Rückabwicklung gänzlich verzichtet werden.

Einzige Ausnahme: Bei zwingenden Gründen – vor allem im Allgemeininteresse – erlaubt die Richtlinie ausnahmsweise, die Wirkung des Vertrags zu erhalten. Wirtschaftliche Interessen zählen hier grundsätzlich nicht dazu. (Bernhard Müller, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 18.6.2008)