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Wenn einer in einem öffentlichen Vergabeverfahren schließlich das Tor schießt, ist das Spiel zu Ende - oder auch nicht.

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Das Vergaberecht lässt den Auftraggeber meist auch nach Zuschlagerteilung nicht kalt: Im Nachhinein ist es oft notwendig, vergebene Aufträge zu erweitern oder sonst anzupassen – etwa, weil die ausgeschriebene Leistung länger oder in größerem Umfang benötigt wird als geplant.

Neuerliches Vergabeverfahren

Dabei stellt sich die Frage, ob die Änderung oder Ergänzung des bestehenden Vertrages wirklich ein – meist mühsames und aufwendiges – neuerliches Vergabeverfahren unter Einbeziehung mehrerer Anbieter erfordert. In diesem Fall kann die Zusatzleistung nicht mehr ohne weiteres vom bisherigen Auftragnehmer bezogen werden, was neben unerwünschten Verzögerungen zu Problemen bei Organisation und Haftung führen kann. Umgekehrt kann auch der Auftragnehmer eine spätere Anpassung des abgeschlossenen Vertrages wünschen, etwa, wenn sich die Parameter für die Preisbestimmung ändern. Führt dieses Verlangen zu einer Neuausschreibungspflicht, riskiert er den Verlust eines bereits gesicherten Auftrages. Das Bundesvergabegesetz erlaubt die Erhöhung des Leistungsvolumens nach Zuschlag ohne Durchführung eines neuerlichen Vergabeverfahrens nur in sehr engen Grenzen: So ist die Beschaffung von Zusatzleistungen zu bestehenden Bau- oder Dienstleistungsaufträgen durch Verhandlungen mit dem bisherigen Auftragnehmer – neben weiteren strengen Voraussetzungen – nur bis zu 50 Prozent des ursprünglichen Auftragswertes zulässig. Ähnlich strikt sind die Kriterien für die Wiederholung gleichartiger Leistungen ohne Neuausschreibung. Unproblematisch sind hingegen Vertragsänderungen, die von vornherein im Vertrag vorgesehen sind, etwa in Form von Preisanpassungsklauseln oder Optionen: Da die Preiserhöhung oder Verlängerung bereits "mit ausgeschrieben" wurde, ist eine Neuausschreibung nicht nötig. Das gilt auch, wenn ein gesetzlicher Anspruch auf eine nachträgliche Vertragsanpassung besteht, etwa wegen Änderung der Geschäftsgrundlage.

Wesentlich oder nicht

Wenn weder Gesetz noch Vertrag eine Änderungsmöglichkeit vorsehen, hängt die Neuausschreibungspflicht davon ab, ob die Änderung eine wesentliche ist. Die Abänderung untergeordneter Detailfragen oder Abwicklungsmodalitäten erfordert in der Regel keine neuerliche Vergabe. Zu der im Einzelfall schwierigen Abgrenzung sind die Grundsätze der Gleichbehandlung, der Transparenz und des Wettbewerbs heranzuziehen: Demnach ist die Grenze zulässiger Vertragsanpassung überschritten, wenn die beabsichtigte Änderung einen anderen Bieterkreis angesprochen oder ein anderes Bestangebot bewirkt hätte. Aktuell ist ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof über die Verlängerung von Verträgen der Republik mit der Nachrichtenagentur APA anhängig: In der Rechtssache C-454/06 vertritt Generalanwältin Kokott die Ansicht, dass nur wesentliche Vertragsänderungen, die konkret geeignet sind, den Wettbewerb zu verfälschen und den bisherigen Vertragspartner zu bevorzugen, ein erneutes Vergabeverfahren rechtfertigen. (Irene Welser, Michaela Siegwart, DER STANDARD; Print-Ausgabe, 18.6.2008)