Jerusalem/Brüssel/Wien – Unterschiedliche Bewertungen am Tag danach: „Die EU wertet ihre Beziehungen zu Israel auf“, schreibt die Frankfurter Allgemeine Zeitung, „EU hält Israel auf Distanz“, heißt es in der Süddeutschen. Damit formuliert die SZ sehr hart, dass die EU sich am Montag zwar prinzipiell zu einer – von Israel gewünschten – über die jetzigen Formate hinausgehenden, vertieften Kooperation bekannt hat, aber nicht bedingungslos. Sie macht eine weitere Annäherung von der israelischen Politik im Rahmen des israelisch-palästinensischen Friedensprozesses abhängig.

Dem israelisch-europäischen Treffen am Montag in Luxemburg war ein mehr als einjähriger Prozess vorausgegangen: Während der deutschen EU-Präsidentschaft wurde im März 2007 eine „Reflection Group“ geschaffen; im Oktober 2007 legte Israel der EU ein Papier mit seinen Wünschen vor, das eine weitgehende Aufwertung der Beziehungen vorschlug.

Der israelische Vorstoß reflektiert einen beachtlichen Politikwechsel in Jerusalem. Die israelisch-europäischen Beziehungen sollten zu einer „dritten Säule“ der israelischen Sicherheitspolitik (im erweiterten Sinne) werden, neben einer starken israelischen Armee und der speziellen Allianz mit den USA, die bisher für andere Akteure wenig Raum ließ.

Die Jerusalem Post zitierte im Februar 2008 einen israelischen Diplomaten, der auf die wachsende Rolle der EU in „allen Bereichen, die uns berühren“, hinwies: „Handel, die Palästinenser, Iran, die UNIFIL (UN Interim Force in Lebanon)“. Israel stellte sich eine Zusammenarbeit, die über das jetzige Assoziierungsabkommen hinausreichen sollte, in neun Kapiteln vor, darunter Finanzen, Erziehung und Jugend, Umwelt, Wissenschaft, Justiz und Sicherheit.

Die israelischen Ambitionen riefen in der EU sehr unterschiedliche Reaktionen hervor. Neben Befürwortern für einen Sonderstatus Israels gibt es jene Länder, die ihn an Fortschritte im Nahost-Friedensprozess knüpfen wollen, mit dem Hinweis, dass der bisherige politische Dialog (ein Gesprächsformat der EU mit Nicht-EU-Ländern) mit Israel bisher nicht sehr fruchtbar war. Andere Länder sehen diese Problematik, glauben jedoch, dass gerade durch mehr Nähe der positive EU-Einfluss auf Israel wachsen würde, auch in Menschenrechtsfragen.

Anreize oder Bedingungen

Die politischen Wünsche Israels waren sehr weit gegangen, sie beinhalteten die Einbindung Israels in EU-Erklärungen („alignment“) und einen jährlichen EU-Israel-Gipfel. Abgesehen von den Begehrlichkeiten, die das in anderen EU-Assoziierungsländern hervorrufen könnte, ging das den meisten EU-Mitgliedern zu weit, wobei es aber unterschiedliche Ansichten dazu gab, wie die Konditionalität aussehen sollte: positive Anreize oder harte Bedingungen.

Geeinigt hat man sich wie so oft auf einen Prozess, dessen Zeitrahmen jedoch nicht feststeht. Einstweilen bekommt Israel laut EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner mehr Zugang zum EU-Forschungsprogramm und ähnlichen Programmen, für mehr sei es aber noch zu früh. Ferrero betonte auch, dass die israelisch-europäische Zusammenarbeit im Rahmen der EU-Nachbarschaftspolitik zu sehen sei – also nicht mehr.

Stimmen dagegen, dass die EU Israel mit offenen Armen aufnimmt, waren auch von israelischen Kritikern der israelischen Nahostpolitik gekommen. Gideon Levy hatte etwa in einem Kommentar in Ha’aretz der EU empfohlen, von Israel dafür konkrete Schritte den Palästinensern gegenüber zu verlangen. (guha/DER STANDARD, Printausgabe, 18.6.2008)