Bis zur Realisierung des Quantencomputers müssen noch zahlreiche Bausteine von den Wissenschaftern zusammengefügt werden.

Illustration: DER STANDARD/Fatih
Parallel dazu haben Forscher in Seibersdorf Quantenkryptografie in ein kommerziell nutzbares Netzwerk eingeflochten.

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In den vergangenen Wochen und Monaten häuften sich Erfolgsmeldungen in internationalen Fachpublikationen wie Nature Physics, Physical Review Letters und anderen, die suggerierten, die Wissenschaft käme mit riesigen Schritten der Verwirklichung des ersten breit einsetzbaren Quantencomputers näher. An erster Stelle der Liste der publizierenden Arbeitsgruppen stehen heimische Forscher.

Das Innsbrucker Institut für Quantenoptik und Quanteninformation der Akademie der Wissenschaft hat sich in den vergangenen Jahren zum international wohl angesehensten Zentrum für Quantenphysik etabliert und liegt im weltweiten Rennen um den Bau eines Quantencomputers ganz weit vorn. Parallel dazu entwickelte sich an den Austrian Research Centers Seibersdorf (ARC) ein europäischer Forschungsknoten für Quantenkryptografie, die angesichts immer größerer Rechenleistungen auch herkömmlicher Computer zunehmend Bedeutung gewinnt.

Ansätze für die Verwirklichung eines Quantencomputers gibt es mittlerweile zahlreiche. Weltweit experimentieren Forscher etwa mit Lichtteilchen (Fotonen), Elektronen oder ganzen Atomen (Ionen), die als Informationsspeicher dienen können.

Seltsame Überlagerung

Dass diese überhaupt verwendet werden können, liegt an den quantenmechanischen Eigenschaften der Winzlinge. In herkömmlichen Rechnern gibt es nur zwei Eigenschaften: Strom fließt und Strom fließt nicht, also ja und nein beziehungsweise Bit 1 und Bit 0. In der wunderbaren Welt der Quanten gibt es jedoch die sogenannte Überlagerung.

Das heißt, dass ein Informationsteilchen, also etwa ein Ion, nicht nur den Wert 0 oder 1 annehmen kann, sondern nahezu beliebig viele Zustände dazwischen. Was die Rechenleistung theoretisch ins Gigantische erhöht.

Damit diese Teilchen kein unkontrolliertes Eigenleben führen, müssen die Informationsträger miteinander verbunden werden. Dazu bedienen sich Physiker einer seltsamen Quanteneigenschaft: der Verschränkung. Der von Erwin Schrödinger eingeführte Begriff ist laut Albert Einstein eine "spukhafte Fernwirkung" von Teilchen, die über beliebige Entfernungen so eng miteinander verbunden sind, dass das eine ohne Zeitverlust den Zustand des anderen annimmt.

So wie bei einem herkömmlichen Rechner ein Byte aus acht Bits zusammengesetzt ist, gelang es den Innsbrucker Physikern erstmals, ein Quantenbyte aus acht verschränkten Atomen (Quantenbits) zu erzeugen. Dazu wurden Kalzium-Ionen mit elektromagnetischen Feldern eingefangen, nebeneinander angeordnet und mit ausgeklügelter Lasertechnik miteinander verschränkt.

Für den Nachweis, dass die Teilchen tatsächlich miteinander verschränkt sind, mussten rund 650.000 Messungen durchgeführt werden. Allein dies dauerte zehn Stunden, die Berechnung der Zahlen und deren Umsetzung in grafische Darstellung auf einem Hochleistungscomputer der Uni dauerte mehrere Wochen. Dies deutet die hohe Überlegenheit von Quantencomputern gegenüber herkömmlichen Rechnern an: Was mit den acht Qubits in einer Millisekunde passiert, kann mit einem normalen Computer nur in vielen Stunden berechnet werden.

Ein Problem blieb aber bestehen: Diese in einem Gatter geordneten Qubits arbeiten nicht fehlerfrei. Nicht zuletzt durch Wechselwirkungen mit der Umwelt kommt es zu Unregelmäßigkeiten. Da aber eine Fehlerkorrektur von außen mit einer Messung des Systems einhergeht, eine Messung des Systems jedoch unweigerlich die Überlagung vieler Zustände aufhebt, den Teilchen einen determinanten Zustand zuschreibt und damit das System zerstört, erschien eine Fehlerkorrektur lange Zeit als unmöglich. Doch die Innsbrucker haben kürzlich gezeigt, dass es doch funktioniert.

Anstatt wie bisher Laserpulse mit konstanter Intensität einzusetzen, variierten sie die Lichtintensität zeitlich für ihr Quantengatter aus zwei verschränkten Kalzium-Ionen und erreichten so erstmals eine Güte von 99,3 Prozent. "Das ist der beste Wert, der weltweit je für ein System zum Quantenrechnen erreicht wurde", erklärt Christian Roos vom Innsbrucker Institut. Damit ist eine der größten Hürde auf dem Weg zum Quantenrechner genommen. Nun arbeitet man daran, ein fehlerkorrigiertes System für mehrere verschränkte Ionen zu etablieren, was wohl noch Jahre dauern wird (siehe Interview).

Sicherer Schlüssel

Da ein Quantencomputer alle heute gängigen Verschlüsselungssysteme binnen weniger Minuten knacken könnte, entwickeln Physiker parallel dazu eine neue Chiffriermethode - die Quantenkryptografie. Diese basiert ebenso auf der Verschränkung: Werden übermittelte Informationen von Dritten ausgelesen, bricht das Quantensystem augenblicklich zusammen und die Lauscher fliegen auf.

Vor vier Jahren wurde daher das EU-Projekt SECOQC (Development of a Global network for Secure Communication Based on Quantum Cryptography), das verschränkte Lichtteilchen als Schlüssel verwendet, gestartet. Geleitet wird es von Christian Monyk, Leiter der Gruppe Quantentechnologien bei Smart Systems der ARC Seibersdorf. Unter seiner Leitung ist es gelungen, ein quantenkryptografisches Netzwerk für die kommerzielle Anwendung zu knüpfen, in dem mehrere Partner über große Distanzen hinweg sensible Daten austauschen können. Der Prototyp dieses Netzwerks wird im September in Wien vorgestellt. (Andreas Feiertag/DER STANDARD, Printausgabe, 18.6.2008)