Viele Fans, viel Müll: Der große Kehraus in der Fanzone nach dem Match gegen Deutschland.

Standard/Robert Newald

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Unter den Fittichen des Adlers: ein heimischer Fan beim 0:1.

EPA
Wien - Der einzige rot-weiß-rote Schal, der Dienstagmittag in der Wiener Fanzone noch zu sehen war, wurde in die Kamera eines deutschen Fernsehteams gehalten: "So sehen Sieger aus, schalalalala!", singen die drei Fans aus Deutschland nicht sonderlich stimmgewaltig dazu. Ansonsten sind die Leute in der Zone durchgehend in Zivil unterwegs. Auch rot-weiß-rote Fahnen auf Autos und Balkonkisterln sieht man Dienstag früh deutlich weniger. Die Aufwallung des Patriotismus in Österreich scheint mit dem Ausstieg der Nationalelf aus der EURO zu Ende gegangen zu sein.

"Obwohl die EURO ein gemeinsames europäisches Turnier ist, werden nochmals nationale Identitäten und Stereotypen sozusagen öffentlich zur Aufführung gebracht", sagt Georg Spitaler, Politikwissenschafter an der Universität Wien. Dass eine Reinszenierung der nationalen Symbole eine Ausnahmesituation auf Zeit ist, sei auch den meisten Leuten bewusst.

Nach der WM 2006 in Deutschland wurde "viel diskutiert, ob eine angeblich neue Normalität entstanden ist", sagt Spitaler. Im Gegensatz zur deutschen Identität, die während der WM in einem emotionsreichen "Partynationalismus" verortet wurde, sah der Politikwissenschafter bereits vor der EURO für Österreich das Eintreten eines "transitorischen Nationalismus" als die wahrscheinlichere Variante. Diese Form des Nationalismus "stellt sich relativ kurzfristig her und hat auch viel damit zu tun, ob die Nationalmannschaft erfolgreich ist", erklärt Spitaler.

Wenn nicht, dann muss man es eben billiger geben. Im UEFA-Fanstore auf dem Heldenplatz wurden die Preise für die Österreich-Fan-Artikel einen Tag nach dem Deutschland-Match um 50 Prozent gesenkt. Bei Intersport Eybl, dem Vertreiber der offiziellen UEFA-Lizenzartikel, ist man mit dem bisherigen Geschäft äußerst zufrieden. An Tagen, an denen Österreich spielte, wurden bis zu 250.000 Euro umgesetzt. Dass viele Shirts, Kappen oder Schals übrigbleiben könnten, glaubt Intersport-Eybl-Vorstand Peter Wahle nicht. Man habe gut kalkuliert, außerdem könnten Restbestände an die Lieferanten zurückgegeben werden.

Auch im Team-Hotel der Österreicher denkt man an die Nachspiel-Zeit: Im Balance Resort Stegersbach ist Übernachten jetzt um ein Viertel billiger. Das gilt aber nicht für alle Zimmer: Wer am EM-Final-Wochenende (28. bis 30. Juni) genau in jenen Betten schlafen möchte, in denen bis gestern Trainer Josef Hickersberger, Team-Kapitän Andreas Ivanschitz oder Elfmeter-Torschütze Ivica Vastic genächtigt haben, muss auf Ebay mitsteigern. Das patriotische Mindestgebot: ein Euro.

Bettenschnäppchen

"Es kann also durchaus sein, dass man ein Schnäppchen ergattert", meint eine Sprecherin von Ebay. Die Betten seien "selbstverständlich" frisch überzogen. In den Zimmern wartet je ein signiertes Trikot. Außerdem kann am Flatscreen das Finale verfolgt werden. Auch Frühstücksbuffet und Spa sind inklusive. Seit Dienstag (20 Uhr) läuft die Aktion, der Reinerlös kommt dem Sterntalerhof, einem Kinderhospiz mit Pferdetherapie in Stegersbach, zugute. Bis 24. Juni (20 Uhr) kann noch mitgeboten werden.

Einer, der beim Spiel gegen die Deutschen im Happel-Stadion kurz quasi im Zentrum der patriotischen Aufwallung gestanden ist, ist der 13-jährige Philip Ringhofer. Er hat gemeinsam mit sieben anderen am Montag vor dem Match die rot-weiß-rote Fahne aufs Spielfeld getragen. Seine Erwartungen vor dem Spiel waren groß: "Ich bin gespannt, wie dieser Augenblick sein wird", hatte er im Standard-Gespräch gesagt. Und sie wurden erfüllt: "Der Moment war fantastisch. Mir geht es sehr gut, ich bin nur müde", sagt Ringhofer am Dienstag. Er glaubt, dass "beim blöden Tor" der Deutschen auch ein "bisserl unser Torwart" schuld war. Jetzt gilt es auch für ihn, nach vorn zu sehen. Sein Europameistertipp: "Die Holländer, weil die spielen so gut." (ebi, fern, pm, spri/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 18. Juni 2008)