Dublin/Wien - Der Glaube an Neuverhandlungen über den EU-Reformvertrag hat viele Iren zu einer Nein-Stimme bei der Volksabstimmung am vergangenen Donnerstag bewogen. Über 70 Prozent der Nein-Sager waren der Meinung, dass man einen neuen Vertrag ausverhandeln könnte, berichtet die Tageszeitung "Irish Independent" in ihrer Dienstag-Ausgabe unter Berufung auf eine Umfrage der EU-Kommission.

Viele Iren erwarteten offenbar eine Wiederholung des Szenarios nach dem ersten gescheiterten Referendum über den Vertrag von Nizza im Juni 2001. Damals hatte Dublin von seinen EU-Partnern Zusicherungen hinsichtlich der irischen Neutralität erreicht, und ein zweites Referendum im Oktober 2002 ergab ein deutliches Ja. Doch schon damals wurde am Vertrag selbst kein Beistrich geändert, weil dies einen Neustart des Ratifikationsprozesses in allen anderen EU-Staaten erforderlich gemacht hätte.

Zurück ans Reißbrett

Vor dem Referendum über den Vertrag von Lissabon hatten die Gegner betont, dass Irland in Verhandlungen einen "besseren Deal" herausschlagen könne. "Wir sollten Brüssel zurück ans Reißbrett schicken, damit sie mit einem besseren Vertrag für uns zurückkommen. Wir können keinen schlechteren Deal bekommen als den, der uns derzeit angeboten wird", sagte der Wortführer der Vertragsgegner, der Unternehmer Declan Ganley. Er kaufte dem irischen Premierminister Brian Cowen wenige Tage vor der Abstimmung symbolisch ein Flugticket nach Brüssel, wo er nach dem Nein einen neuen EU-Vertrag ausverhandeln sollte.

Die Umfrage ergab auch, dass Frauen und junge Wähler in großer Zahl mit Nein gestimmt haben. Bei den Jungwählern stimmte nur ein Drittel mit Ja, berichtet die Zeitung. Den Vertragsgegnern sei es auch gelungen, eine große Zahl von Menschen zu mobilisieren, die sich sonst nicht an Wahlen beteiligen. Weitere Gründe für das Nein waren laut der Umfrage, dass viele Iren den Vertrag nicht verstanden und sich um die massive Zunahme der Zuwanderung in Irland sorgten. Befragt wurden 2.000 Iren. (APA)