Jedes dritte Einzelunternehmen in Wien hat eineN ChefIn mit Migrationshintergrund. Ihr Beitrag zur Wirtschaftsleistung wird auch von der Wirtschaftskammer, die sich über neue Mitglieder freut, gerne gelobt. Doch dass mit der Mitgliedschaft nicht nur Kosten, sondern auch Nutzen verbunden sind, ist vielen dieser Selbstständigen kaum bekannt: Fördertöpfe und Beratungen würden von Zugewanderten oft zu wenig genutzt, hört man auch in der Wirtschaftskammer Wien.
Von der Jungunternehmerförderung bis zur Weiterbildung: Es herrsche ein "gigantischer Informationsmangel" bei vielen türkischen Selbstständigen, meint Sami Akpinar, Obmann der Union Europäisch Türkischer Demokraten Austria (UETD). Bei den schon länger hier Ansässigen habe es mit Sprachdefiziten zu tun – Sprachkurse waren in der Zeit der ersten Gastarbeiterwellen kaum verfügbar.
Scheu gegenüber Behörden
Bei Älteren wie Jüngeren sei eine gewisse Scheu gegen Institutionen spürbar, meint Akpinar. "Sie wissen oft gar nicht, wo sie hinsollen, lassen sich von der Arbeiterkammer beraten, obwohl sie selbstständig sind." Zum Teil würden Behörden auch negativ wahrgenommen – und zwar eher als "Kontrollorgane, die etwas von dir wollen", denn als "Serviceorganisation, für die ich auch Beiträge zahle".
Und oft scheitere es daran, dass Informationen tendenziell in Schriftform verbreitet würden, die AdressatInnen aber mündlichen Auskünften eher Glauben schenken würden.
Sprachprobleme
Es sei eher eine Frage der Bildung, meint hingegen Banu Barta, türkische Steuerberaterin in Wien, die eine gewisse Distanz zu Beratungsinstitutionen aus eigener Beobachtung kennt. Sie selbst hätte nie Orientierungsprobleme gehabt, "weil ich gut ausgebildet bin" - bei KundInnen mit weniger Bildungserfahrung merke sie jedoch, "dass ich hin und wieder vermitteln muss". Häufig scheitere es einfach daran, dass die Sprache, in der Informationen verbreitet werden, nicht die Sprache der AdressatInnen ist.
Dass Beratungsinstitutionen von manchen migrantischen UnternehmerInnen nichts mitbekommen, sagt aber nichts über den Beratungsstand dieser Selbstständigen aus: Viele holen sich die Infos, die sie brauchen, aus Bekannten- und Verwandtenkreis. "Wenn bei der Unternehmensgründung Beratungen eingeholt werden, dann bei jenen Bekannten, die selbst schon Gründungserfahrung haben", sagt Irene Mandl von der KMU Forschung Austria, die an einer Studie zum Thema mitgearbeitet hat.
Mitten im Zehnten
Diese informellen Netzwerke will der Wiener Wirtschaftsförderungsfonds (WWFF) anzapfen: Im traditionellen Zuwanderungsbezirk Favoriten wurde eine Außenstelle des WWFF – die "Mingo Migrant Enterprises" - eröffnet, die von der Wiener Unternehmerin Nilgül Raeke betreut wird. Raeke besucht Betriebe und lädt UnternehmerInnen ein, die dann "als Multiplikatoren wirken" sollen. Das Ziel: "Nah bei den Betrieben zu sein und sie über Fördermöglichkeiten zu informieren, die zu wenig genutzt werden". Auch Raeke sieht vor allem Sprachprobleme als Wurzel, und meint: "Die dritte Generation hat diese Probleme vermutlich nicht."
Zum Teil scheitere es aber auch daran, dass der Beratungsdschungel hierzulande selbst für Einheimische schwer zu durchschauen ist, heißt es in der KMU-Studie. Auch die Wirtschaftskammer Wien will das "nicht nur als Problem der Migranten" sehen. Kommen dann auch noch Sprachschwierigkeiten dazu, erfordere es einiges Geschick, die richtigen Adressen zu finden.
Außenhandels-Motoren
Muttersprachliche Gründungsberatung müsse ausgebaut werden, empfehlen die StudienautorInnen – und das ist keine reine Menschlichkeitsgeste: So wird den Migranten-UnternehmerInnen eine "nicht zu vernachlässigende ökonomische Bedeutung" beschieden. Denn diese würden nicht nur deutlich stärker zum Außenhandel beitragen als UnternehmerInnen ohne Migrationshintergrund. Sie schaffen vor allem Jobs – auch für "gestandene ÖsterreicherInnen". (Maria Sterkl, derStandard.at, 19.6.2008)