Bild nicht mehr verfügbar.

Akazienduft hatte Leslie schon immer sehr eingenommen.

Foto: APA/GUENTER R. ARTINGER
Yvonne war nach Irland gefahren, um "nachzuschauen, warum die das getan hatten". Zora glaubte ihr das nicht wirklich. "Was will sie da nachschauen? Das sind einfach schlechte Europäer. Und Punkt. Und die gibt es am Festland auch." Zora stapfte die Prater Hauptallee hinauf. "In Wahrheit ist Yvonne doch nur vor den Fußballfans geflohen. Sie hat uns einfach im Stich gelassen." Leslie sah Zora von der Seite her an. Sie war abgelenkt durch diesen Akazienduft. Akazienduft hatte Leslie schon immer sehr eingenommen, die Bäume schienen ihr im Akazienduft dunkelgrüner, und die Menschen schwebten wie Elfen in der Prater Hauptallee daher. "Und jetzt geht Yvonne wahrscheinlich fröhlich zwischen Schafen spazieren, während wir Schleichwege durch die Stadt suchen müssen, um diesen Männern mit den Schwammhüten zu entkommen." Zora biss auf ihr Honig-Sesamstangerl.

Leslie glaubte auch nicht, dass Yvonne die Iren jemals verstehen wird. Sie dachte, dass alle Europäer zur Zeit allein schon wegen der vielen Fußballspiele unberechenbar waren. "Vielleicht waren die Iren ja nur beleidigt, weil sie nicht mitspielen durften. Und wenn die Spiele vorbei sind, gibt es einen Neuanfang."

Zora hatte für so eine Zeitvergeudung kein Verständnis. "Das denkt auch nur ihr aus dem Westen. Man kann aber nie von vorne anfangen. Was gewesen ist, ist passiert. Ihr könnt die Geschichte nicht einholen. Deswegen darf man Geschichte nie so schreiben, dass sie anderen schadet." Sie ließ sich auf die Stelle mit den meisten Gänseblümchen fallen.

Leslie gab ja zu, dass Europa gerade wenig Glück hatte. "Aber wir dürfen die Geschichte nicht aufhören lassen, bis sie eine gute Wende nimmt, und von dort aus müssen wir möglichst lange die Vergangenheit und die Zukunft betrachten." Sie hatte soeben eine Ameisenstraße mit einer süßen Akazienblüte umgeleitet. "Mindestens so lange, bis wir eine noch bessere Wende sehen." Zora hatte die Ameisen mit ihrem Sesamstangerl wieder weggelockt. (Adelheid Wölfl/Der Standard/rondo/20/06/2008)