Ein Softwareengineer, ein Medieninformatiker und ein Politikwissenschafter wollen "türkische Unternehmen mit österreichischen integrieren": Akcaglayan, Mutlu, Akay

Foto: derStandard.at/mas

Mit hochgekrempelten Ärmeln in der Wiener City: Aus dem Ottakringer Büro sind die Jungunternehmer vor kurzem ausgezogen

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Inventar für den Großhaushalt...

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..., aber auch Autoservice-Rabatte und Alarmanlagen-Gutscheine gibt es im "Aktionsblatt", das an 300.000 Haushalte verteilt wird und auch im Internet abrufbar ist

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Wenn jemand zielstrebig ist, dann Abdulcelil Akay. In den sieben Jahren seit seiner Ankunft in Österreich hat der 28-Jährige nicht nur ein Politikwissenschaftsstudium abgeschlossen, sondern auch eine Zeitung - Yeni Hareket, sie erscheint in einer Auflage von 20.000 Stück -, und ein Unternehmen gegründet. Nebenbei studiert er Publizistik, und wenn er damit fertig ist, will er zurück nach Istanbul, um dort, wie er vollen Ernstes betont, "Bürgermeister zu werden".

 

Heute ist er, gemeinsam mit Ali Akcaglayan und Engin Mutlu, aber noch Co-Geschäftsführer der Unternehmensberatung DH&Partners, die im laufenden Jahr laut eigenen Prognosen eine Million Euro Umsatz abwerfen soll. Das Firmenbuch kennt die GmbH erst seit letztem August.

Türkisch für Fortgeschrittene

Von der Supermarktkette Etsan über den Großhändler Pergast oder die Juwelierkette Istanbul Kuyumcusu bis zu DH&Partners: Sie sind Betriebe, über welche die Wirtschaftsseiten österreichischer Tageszeitungen schweigen. Türkische UnternehmerInnen, die nicht nur, aber vorrangig den türkischsprachigen österreichischen Markt bedienen. Und damit überaus erfolgreich sind, da ihr Sortiment sich auf Waren stützt, die im klassischen österreichischen Angebot fehlen. Ehrgeizige FirmengründerInnen abseits vom Dönerstand- und Handyshop-Klischee, getragen vom Impuls, "sich auf den österreichischen Markt zu stürzen", wie Akcaglayan es formuliert.

"Die meisten türkischen Unternehmen sind nackt", sagt Akay, und er meint damit nicht unzüglichen Kleidungsstil, sondern den Mangel an "professionellem Marketing". Diese Lücke wollen die acht – allesamt türkischstämmigen - DH&Partners-MitarbeiterInnen nun füllen. Sie gestalten Logos, Kataloge, Homepages, und wenn es sein muss, die gesamte strategische Ausrichtung des Betriebs. Einem Kunden, der am Brunnenmarkt einen türkischen Supermarkt gründen will, würden sie beispielsweise höflich, aber bestimmt davon "abraten" – und ihn dabei unterstützen, eine Nische zu finden, die in der Gegend noch nicht besetzt ist. "Statt dem fünfzigsten Kebablokal wäre vielleicht ein Restaurant mit türkischer vegetarischer Küche sinnvoll", nennt Bilge Uslucan, Assistentin der Geschäftsführer, ein Beispiel. Wer sich im Textilhandel breitmachen möchte, könnte mit traditioneller Babymode abseits der H&M-Kollektionen gut beraten sein: "Da gibt noch wenig Angebot."

"Es geht nicht um Religion"

Die TürkInnen bleiben aber nicht unter sich. Viele AuftraggeberInnen holten sich etwa Tipps, um verstärkt "österreichisches" Publikum erreichen zu können. "Wir wollen türkische mit österreichischen Unternehmen integrieren", formuliert es Akay. So machen sich die klobigen "Halal"- und "No Alcohol"-Etiketten auf der Restaurantwerbung nach der graphischen Neugestaltung unter DH&Partners-Anleitung eher winzig aus, das Bild der fein garnierten Fischplatte steht im Vordergrund, und der Hinweis auf den der Gastronomie angeschlossenen Gebetsraum fiel überhaupt weg. Akay: "Es geht nicht um Religion. Sondern ums Essen." Die Fischplatte und der Hinweis auf das Forellen-Aquarium im Lokal sollen aber auch Zugewanderten aus der Türkei Appetit machen: "Vielen Türken fehlt der frische Fisch, sie fahren oft extra deswegen ins Burgenland", sagt Uslucan.

Auf dem Markt wollen die DH&Partners-Partner aber auch mit ihrer Adressdatei punkten: 20.000 türkischstämmige Haushalte könnten sie ab sofort allen österreichischen Firmen liefern, die "gezielt türkische Kunden ansprechen" wollen. Weitere 17.000 Adressen sollen demnächst fixiert werden. Dazu kommt ein deutschsprachiges, vierteljährlich und in deutscher Sprache erscheinendes "Aktionsblatt" – eine Art Gutscheinheft, das gezielt an Haushalte in Gegenden mit hohem Zuwandereranteil verschickt wird und türkischen UnternehmerInnen, aber auch "österreichischen" Betrieben, die gezielt in diesen Gegenden werben möchten, eine eigene Plattform bietet. In eine ähnliche Richtung geht die Gründung von "Müsiad", einem Verband türkischer UnternehmerInnen in Österreich (siehe Wissen).

Kein Visum

Nächstes Jahr haben die DH&Partners-Chefs viel vor – unter anderem die Veranstaltung einer eigenen Firmenmesse türkischer Unternehmen in Wien, zu der mindestens 200 Betriebe aus dem deutschsprachigen Raum und der Türkei geladen werden sollen. Viele Fragen seien diesbezüglich aber noch offen – unter anderem, ob Geschäftsführer Akcaglayan dann überhaupt noch in Österreich bleiben darf. Derzeit lebt der Wirtschaftsingeneur, der nebenbei an seiner Doktorarbeit schreibt, nämlich noch mit einem Studentenvisum hier. Sein Antrag auf Niederlassung als Selbstständiger wurde vor einigen Monaten abgelehnt. Begründung: Die Investition in Österreich sei "nicht groß genug". (Maria Sterkl, derStandard.at, 30.6.2008)