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Dienen die Ölspekulanten den Politikern als Sündenbock, um von eigenen Versäumnissen abzulenken? Die Meinungen über den Anteil der Spekulation an den explodierenden Preisen gehen auseinander.

Foto: AP/Kienzle
Wien- Sehr unterschiedlich sind derzeit noch die Einschätzungen, wie hoch der spekulative Anteil an den explosionsartigen Preissteigerungen für Rohstoffe wie Erdöl, Weizen oder Reis auf den Finanzmärkten ist. Die Schätzungen bewegen sich zumeist zwischen 10 und 30 Prozent, wobei die Annahmen der Politikern zumeist am oberen Ende dieser Bandbreite anzutreffen sind.

"Öl ist derzeit kein Rohstoff, sondern ein Finanzanlageprodukt", sagt etwa der Generalsekretär der Organisation erdölexportierender Staaten (OPEC), Abdalla El-Badri. Für ihn gibt es keinen Zweifel, dass die Industriestaaten selbst Schuld am Ölpreisschock sind: Heerscharen von geldgierigen Spekulanten würden die Preise nach oben treiben.

Ölkonzerne wie BP hegen Skepsis gegenüber der Spekulanten-These: Demnach wachse lediglich das Angebot weniger stark als die Nachfrage.

Studie zu erwarten

Über die brisante Frage, welchen Anteil die Spekulanten tatsächlich an der Ölpreis-Hausse haben und wo die Grenze zur notwendigen "Absicherung" von Basisgeschäften liegt, darüber diskutieren in Washington derzeit auch Vertreter internationaler Aufsichtsbehörden, darunter auch die britische Finanzmarktaufsicht FSA. Auch die EU-Kommission will noch in diesem Jahr eine Studie vorlegen, wie weit Spekulation die Ölpreise tatsächlich beeinflusst.

Die US-Terminmarktaufsicht CFTC hat ebenfalls eine umfassende Untersuchung angekündigt. Sie geht dem Verdacht nach, dass Ölhändler den Preis an den Rohstoffbörsen künstlich hoch getrieben haben. Die US-Behörde setzt dabei auf eine enge Zusammenarbeit mit der FSA, denn in London sind ähnlich wie in New York viele Hedge-Fonds ansässig, die in Rohstoff-Terminkontrakte investieren.

Spekulanten als Sündenbock

Rohstoffexperten weisen dagegen auf Statistiken hin, die zeigten, dass praktisch die gesamte Weltölproduktion verbraucht werde und die spekulativen Einflüsse den Ölpreis allenfalls um etwa 10 Prozent steigen oder fallen lassen. Insofern dienten die Ölspekulanten Politikern auch als Sündenbock, um von eigenen Versäumnissen abzulenken, meint etwa Jason Schenker, Rohstoffanalyst bei der US-Bank Wachovia.

Nicht die boomende Nachfrage nach Öl, Weizen oder Reis, sondern die Spekulation auf den Terminmärkten würde tatsächlich die Rohstoffpreise treiben, meint dagegen Wifo-Experte Stephan Schulmeister. Bei all diesen Gütern sei das Angebot in den vergangenen Jahren stetig gestiegen. Die Preise dagegen seien regelrecht explodiert. Beispielsweise habe die Weltnachfrage nach Erdöl seit 2004 nur 1,2 Prozent pro Jahr zugenommen, der Preis sei im selben Zeitraum aber um insgesamt 250 Prozent gestiegen, so der Wifo-Experte kürzlich in der "Financial Times Deutschland".

Mindestens 20 Prozent des Niveaus des aktuellen Ölpreises gehe auf reine Spekulation zurück, sagte dagegen etwa die Energieexpertin beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), Claudia Kemfert, vor kurzem.

Spekulationen verbieten

Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (SPÖ) schätzte den spekulativen Anteil im Treibstoffhandel heute im "Kurier" auf "bis zu einem Drittel" ein. Das entspricht in etwa auch der Einschätzung des Präsidenten der Weltbank, Robert Zoellick. Demnach haben diese Spekulationen einen Anteil von 30 Prozent an den Preissteigerungen. Der Chefökonom der UNCTAD, Heiner Flassbeck, schlägt vor, dass Spekulationen auf Nahrungsmittel sowie Termingeschäfte verboten werden. Das könnte die UNO durchsetzen, wenn sie es wollte.

Als weniger preistreibend als von der Politik beschrieben sieht Energieexperte Benigni Johannes Benigni von JBC Energy die Öl-Spekulanten. Dass Spekulanten wesentlich für den Preisanstieg verantwortlich seien, wie dies die Politik gerne behaupte, würde er nur bedingt unterschreiben. "Was sind Spekulanten?", lautet die Gegenfrage des Energieexperten. (APA)