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Jean Asselborn will keine substanziellen Zugeständnisse an Dublin machen.

Foto: AP/Stephen Chernin
STANDARD: Herr Minister, kann es denn einen eleganten Ausweg aus dieser Krise geben? Ein zweites Referendum wäre das wohl kaum.

Asselborn: Das Wichtigste ist, dass es in Irland und der Union den politischen Willen gibt, aus der Sache herauszukommen. Wie? Das ist ein schweres Stück Arbeit. Irland soll zunächst einmal seine Analyse zum negativen Referendum vortragen. Dann müssen sich alle Mitgliedstaaten zur Ratifikation bekennen – auch Tschechien, wo es noch einige Schwierigkeiten gibt. Und schließlich brauchen wir eine Zeitschiene für das weitere Vorgehen. Bis Oktober könnte die Union mit den Iren ein Paket verhandeln, auf dessen Basis dann allein Dublin über ein zweites Referendum entscheidet. Meiner Meinung nach gibt es keinen anderen Ausweg als diesen. Wichtig wird dann der Zeitpunkt für eine zweite Abstimmung und eine entsprechende Begleitung der Kampagne durch die EU.

STANDARD: Das Inkrafttreten des Reformvertrages wird sich so bis zum Jänner wohl nicht mehr ausgehen.

Asselborn: Man muss damit rechnen, dass der Reformvertrag mit 1.Jänner nicht in Kraft tritt. Ideal wäre es, wenn wir es bis zum Juni 2009 schaffen würden. Wenn sich das auch nicht ausgeht, dann stellt sich die Frage, auf welcher Rechtsbasis die Wahlen zum Europäischen Parlament ablaufen – zwischen Nizza und Lissabon gibt es etwa Unterschiede in der Anzahl der Mandate. Wer die im Nachhinein verändern will, dem wünsche ich viel Glück. Da gibt es sehr große Sensibilitäten.

STANDARD: Was wird in diesem Paket für die Iren enthalten sein? Eine Garantie dafür, dass Dublin seinen Kommissar nicht verlieren wird?

Asselborn: Das kann ich mir nicht vorstellen. Es kann nicht sein, dass einem Land nach einer Ablehnung des Vertrags noch Vorteile in der Substanz zugestanden werden.

STANDARD: Nicht nur die Iren sind EU-skeptisch, dieses Problem haben viele andere Mitglieder auch. Ist es wirklich klug, den Reformvertrag in dieser Manier durchzudrücken?

Asselborn: Ich weiß nicht, ob die Bevölkerungen der EU tatsächlich so skeptisch gegenüberstehen. Wir haben das gleiche Muster ja schon einmal in den Niederlanden und Frankreich gesehen. Das Umfeld mit steigenden Treibstoff- und Lebensmittelpreisen war ungünstig. Und mit einem Referendum ist es kaum möglich, über eine Entität wie die EU abzustimmen. Dennoch darf man sich nicht über den Willen der Bürger hinwegsetzen. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass Europa als elitäres Gebilde wahrgenommen wird und nicht als Schutzschild etwa gegen negative Globalisierungseffekte. (Christoph Prantner in Brüssel/DER STANDARD, Printausgabe, 20.6.2008)