Wien - Bundeskanzler Alfred Gusenbauer wird am Montagnachmittag den palästinensischen Ministerpräsidenten Salam Fayyad und den libanesischen Ministerpräsidenten Fouad Siniora zu Gesprächen empfangen, wie das Bundeskanzleramt am Samstag in Wien verlautbarte. Die beiden Regierungschefs kommen nach Österreich zur Teilnahme an der internationalen Geberkonferenz für den Wiederaufbau des palästinensischen Flüchtlingslagers Nahr el-Bared bei Tripoli im Nordlibanon.

Auf Anfrage des Libanons

Zu der Konferenz in der Wiener Hofburg, die Österreich auf Ersuchen der libanesischen Regierung organisiert hat, werden unter anderen auch der Generalsekretär der Arabischen Liga, Amr Moussa, und EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner erwartet. Das seit 1949 bestehende Lager mit rund 30.000 Bewohnern wurde während einer vier Monate dauernden Operation der libanesischen Armee fast vollständig zerstört, nachdem sich die sunnitische Extremistengruppe "Fatah al-Islam" darin verschanzt hatte. Es waren mehr als 400 Tote zu beklagen, darunter 180 libanesische Soldaten. "Fatah al-Islam" hat den Armeekommandanten und nunmehrigen Staatspräsidenten General Michel Sleimane beschuldigt, das Blutbad "im Auftrag der USA" angerichtet zu haben, die ihm dafür "den Präsidentensessel versprochen" hätten. Der Gruppe werden Verbindungen zum Terrornetzwerk Al-Kaida nachgesagt.

Im Libanon leben mehrere Hunderttausend palästinensische Flüchtlinge und ihre Nachfahren unter zumeist erbärmlichen Bedingungen. Die meisten Lager sind überfüllte Elendsquartiere mit ärmlichen Behausungen. Nach einer UNO-Statistik von 2006 leben etwa 60 Prozent der Flüchtlinge unter der Armutsgrenze, über 70 Prozent sind arbeitslos. Zur Misere trägt wesentlich bei, dass der libanesische Staat Palästinensern die Ausübung vieler Berufe untersagt. Auch von der staatlichen Gesundheitsfürsorge sind sie ausgeschlossen.

Der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas hatte unterstrichen, dass die Palästina-Flüchtlinge im Libanon zur Loyalität gegenüber ihrem Aufnahmeland verpflichtet sind. Die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) hatte Ende der 1960er Jahre im Libanon eine Machtbasis aufgebaut. 1969 schloss Staatspräsident Charles Helou mit PLO-Chef Yasser Arafat ein Abkommen, das der PLO die uneingeschränkte Kontrolle der Flüchtlingslager übertrug. 1975 brach nicht zuletzt wegen der PLO-Präsenz ein 15-jähriger Bürgerkrieg im Libanon aus, in den Syrien mit einem Mandat der Arabischen Liga eingriff. Im März 1978 rückten 25.000 israelische Soldaten bis zum Litani-Fluss vor und trieben zehntausende Flüchtlinge vor sich her in Richtung Beirut. 1982 beschloss der israelische Generalstab, die PLO im Libanon zu zerschlagen. Israelische Truppenverbände unter Ariel Sharon stießen bis Beirut vor. Arafat konnte nach internationaler Vermittlung mit 11.000 Kämpfern nach Tunis abziehen. Die palästinensischen Flüchtlinge blieben schutzlos zurück, es kam zu den Massakern in den Flüchtlingslagern Sabra und Shatila. (APA)