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Israelische Soldaten beim Strategiespiel "Risiko" an dem Stützpunkt Kussufim an der Grenze zum Gazastreifen. Der Waffenstillstand mit der Hamas hält, die Drohungen gegen den Iran gehen weiter.

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Eine Spekulation der New York Times, wonach eine groß angelegte Übung der israelischen Luftwaffe eine Probe für einen Angriff auf den Iran gewesen sein könnte, wurde in Jerusalem nicht dementiert und offenbar sogar mit einer gewissen Befriedigung registriert. Mit immer schärferen Warnungen haben die Israelis in den letzten Monaten versucht, die Welt zu energischen Sanktionen zu animieren, die das iranische Nuklearprogramm stoppen sollen. Nach israelischen Schätzungen könnten die iranischen Zentrifugen noch in diesem Jahr jene Menge von angereichertem Uran produzieren, die für eine Atombombe nötig ist. "Israel wird einen nuklearen Iran nicht hinnehmen" , hatte Premier Ehud Olmert erst kürzlich bei einem Besuch in Washington erklärt. Davor hatte Minister Shaul Mofaz, einer der Anwärter auf die Olmert-Nachfolge, dem Iran unverhohlen mit einem Angriff gedroht. "Das Zeitfenster hat sich geschlossen. Die Sanktionen sind nicht wirksam. Es wird keine Alternative zu einem Angriff geben, um das iranische Atomprogramm zu stoppen" , sagte Mofaz.

Offiziell setzt Israel weiterhin auf die Wirksamkeit von Wirtschaftssanktionen, die aber viel härter und umfassender sein müssten als die bisherigen. Ob das Manöver, das Anfang Juni weithin sichtbar und in Absprache mit Griechenland im Raum der Insel Kreta stattgefunden haben soll, mehr als nur Routinesache war, blieb zunächst unklar.

100 israelische Kampfjets

Mehr als 100 israelische Kampfjets vom Typ F15 und F16 sollen von Bergungshubschraubern und Auftankflugzeugen unterstützt worden sein. Die zurückgelegte Strecke von rund 1400 Kilometern hätte der Distanz von Israel zur iranischen Urananreicherungsanlage in Natanz entsprochen. Mohamed ElBaradei, der Generaldirektor der Internationalen Atomenergieorganisation, sah sich veranlasst, im arabischen Fernsehsender Al-Arabiya mit seinem Rücktritt zu drohen, denn ein Angriff auf den Iran würde "den Nahen Osten in einen Feuerball verwandeln".

An der Front zwischen Israel und der Hamas hält die Waffenruhe, die Donnerstag früh begonnen hat, und die Versorgung des Gazastreifens mit Lebensmitteln wird allmählich wieder hochgefahren. Am Sonntag sollten 90 Lastwagenladungen durchgelassen werden, um etwa die Hälfte mehr als an den Tagen vor der Waffenruhe. In den nächsten Tagen könnten auch wieder mehr Treibstoff und Baumaterialien geliefert werden.

Die Familie des vor zwei Jahren verschleppten israelischen Soldaten Gilad Shalit versuchte gestern aber, die Vereinbarung mit der Hamas beim Obersten Gerichtshof anzufechten. Die Regierung habe ihm fest versprochen, so Noam Schalit, der Vater des Soldaten, dass die Übergänge in den Gazastreifen nur geöffnet würden, wenn sein Sohn freikäme: "Das ist ein unwiederbringliches Fenster der Gelegenheit, um Gilad zu retten."

Die Familie Shalit erhielt Schützenhilfe vom israelischen Justizminister Daniel Friedmann, der die von seiner eigenen Regierung getroffene Vereinbarung mit der Hamas als "strategischen Fehler erster Ordnung" und "Wahnsinn" bezeichnete. Der hohe Hamas-Funktionär und palästinensische Ex-Außenminister Mahmoud al-Zahar kündigte an, seine Organisation sei bereit, in der Frage des israelischen Soldaten Shalit neue Verhandlungsvorschläge zu erwägen.

Heute, Montag, werden Angehörige des Soldaten in Jerusalem von Nicolas Sarkozy empfangen. Der französische Präsident sollte Sonntagabend in Begleitung seiner Frau und einer großen Wirtschaftsdelegation zu einem lange geplanten Besuch in Israel eintreffen, der auch als Gratulation zum 60-jährigen Bestand des Staates gilt. Seit Sarkozys Amtsantritt haben sich die Beziehungen der beiden Länder, die unter seinem Vorgänger Jacques Chirac frostig gewesen waren, schlagartig verbessert. (Ben Segenreich aus Tel Aviv/DER STANDARD, Printausgabe, 23.6.2008)