Mit einer beispiellosen Attacke auf die Gerichtsbarkeit hat Ministerpräsident Silvio Berlusconi am Wochenende den institutionellen Konflikt in Italien weiter verschärft. Gleichzeitig beschimpfte er Oppositionschef Walter Veltroni als "Versager" und erteilte dem von ihm selbst gewünschten politischen Dialog eine rüde Absage. Er werde in dieser Woche "die Versuche subversiver Richter und Staatsanwälte darstellen, die Demokratie zu untergraben" . Er werde "auf keinen Fall dulden" , dass ein Richter sich über die Wahlentscheidung des Volkes hinwegsetze, erklärte der wütende Premier.

"Erfundener Lügenprozess"

Die umstrittene "Lex Berlusconi" zur Aussetzung seines Korruptionsprozesses sei keineswegs für ihn bestimmt, sondern "für die italienische Bevölkerung" . Er werde sich in dem "erfundenen Lügenprozess" nicht dieser Klausel bedienen, kündigte Berlusconi an. In der Anklage gegen ihn sei "nicht eine Spur Wahrheit" zu finden. "Im Fall meiner Verurteilung könnte ich meine politische Laufbahn beenden und mich im Ausland niederlassen" , erklärte der Premier.

Veltroni habe Rom als Bürgermeister in den Konkurs getrieben und sei unfähig, ein politisches Amt auszuüben. Der Oppositionsführer selbst kündigte für Herbst eine Großkundgebung gegen die Regierung an. Die italienische Richtervereinigung wies den Angriff des Premiers als "unerhörte Entgleisung" zurück und ersuchte Staatschef Giorgio Napolitano um ein Treffen. Deren Präsident Luca Palamara erklärte, Berlusconis Tiefschlag untergrabe das Vertrauen in die Institutionen, sein Sondergesetz führe zur Aussetzung von fast 100.000 laufenden Prozessen. Der Oberste Richterrat bezeichnete die "Lex Berlusconi" als verfassungswidrig. Es sei unzulässig, dass Politiker Gesetze zum eigenen Vorteil verabschiedeten. (Gerhard Mumelter aus Rom/DER STANDARD, Printausgabe, 23.6.2008)