Damit wollten sie herausfinden, welches der beiden Machtzentren in Moskau denn nun das Sagen hat, meinen Experten.

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In den russischen Regionen regt sich Widerstand gegen die Zentralisierung der Macht in Moskau. Einer der erfahrensten und einflussreichsten Regionalfürsten, der Präsident von Tartastan, Mintimer Schajmijew, sorgte jüngst mit der Forderung für Aufsehen, die Direktwahl der Gouverneure wieder einzuführen. Politologen werten diesen Vorstoß als Test für die neue russische Doppelspitze aus Präsident Dmitri Medwedew und Premierminister Wladimir Putin.

Die direkte Wahl der Gouverneure wurde 2004 von Putin als Reaktion auf das Massaker an der Schule von Beslan abgeschafft, wo die regionalen Verantwortlichen aus Sicht des Kremls versagt hatten. Stattdessen werden diese nun vom Präsidenten ernannt. Putin verteidigte diesen Schritt als Maßnahme im Antiterrorkampf. De facto wurden jedoch die Regionalverantwortlichen entmachtet und dem Kreml unterstellt. Putin unterband so separatistische Tendenzen und wies die Gouverneure, von denen etliche ihr Amt als Selbstbedienungsladen betrachteten, in die Schranken.

Nachdem vergangene Woche Gerüchte über die baldige Absetzung einiger Gouverneure kursierten, darunter auch Schajmijew, forderte der Präsident von Tatastan, der seit 25 Jahren im Amt ist, zu Direktwahlen zurückzukehren. Dieser Meinung schloss sich auch der Präsident der Teilrepublik Baschkirien, Murtasa Rachimow, an. "Wir haben unseren föderalen Staat verloren" , kritisierte Rachimow, "die Wählbarkeit muss gegeben sein, sonst haben alle vergessen, dass es so etwas gibt, und alle Gouverneure werden von oben ernannt. Als ob Moskau sieht, was in den Regionen vor sich geht."

Seit der Präsidentenwahl herrscht unter den Kremlologen Uneinigkeit darüber, wer im Land nun tatsächlich das Sagen hat: der laut Verfassung mit weitreichenden Vollmachten ausgestattete Präsident Medwedew oder Premier Putin, der im Hintergrund noch immer die Fäden zieht und sich wie jüngst beim Staatsbesuch in Frankreich ganz in seiner alten Rolle als Staatsoberhaupt gibt. Rostislaw Turowski vom Zentrum für Politische Technologien betrachtet Schajmijews Rede als "eine Art Test" für die neue Doppelspitze. "Die Chefs der Regionen werden sich nicht darüber klar, welches der beiden Machtzentren wichtiger ist" , sagte Turowski der Gaseta. Sie wissen nicht, ob sie sich weiterhin an Putins Kurs orientieren oder auf den liberaleren Kurs Medwedews einschwenken sollen.

Manager statt Apparatschiks

In den Regionen steht in naher Zukunft ein Generationswechsel an. "Für den jungen Medwedew ist es leichter, mit Managertypen von modernem Format eine gemeinsame Sprache zu finden als mit Veteranen aus Sowjetzeiten" , analysiert der politische Beobachter Walerij Wyschutowitsch. Noch ist unklar, wer die rund 70 Jahre alten Regionalverantwortlichen Minitimer Schajmijew (Tatarstan), Eduard Rossel (Swerdlowsk), Juri Luschkow (Moskau) sowie die Gouverneure von Orjol und Omsk, Jegor Strojew und Leonid Poleschajew, ersetzen soll.

Die Regierungspartei Jedinaja Rossija, deren Vorsitz Putin Anfang Mai übernahm, äußerte sich zurückhaltend gegenüber den vorgebrachten Forderungen. Man schließe nicht aus, dass man bis 2012 zu direkten Wahlen zurückkehren könnte, sagte Wladimir Pligin, der Vorsitzende des Duma-Ausschusses für Verfassungsrecht. (Verena Diethelm aus Moskau/DER STANDARD, Printausgabe, 23.6.2008)