Linz – Die Linzer Mutter, die ihre drei Töchter jahrelang von der Außenwelt isoliert hatte und nach dem erstinstanzlichen Urteil am Landesgericht Klagenfurt in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher hätte eingeliefert werden sollen, ist laut Kärntner Tageszeitung frei.

Der Oberste Gerichtshof hob das Klagenfurter Urteil auf, weil die Gefährlichkeit der Frau kaum geprüft worden sei. Nach einem neuerlichen Gutachten des Gerichtssachverständigen Reinhard Haller gehe von der Frau keine Gefahr mehr aus. Sie wurde in die offene Station der Landesnervenklinik Linz überstellt und kann das Spital jederzeit verlassen, wenn sie sich regelmäßig ambulant behandeln lässt.

Ein Gutachten spricht von einer unheilbaren Geisteskrankheit der Frau. Der Fall war im Februar 2007 publik geworden: Inmitten einer der besten Wohngegenden unterhalb des Pöstlingberges soll sich in einer Akademikerfamilie kaum Vorstellbares zugetragen haben. Selbst Jugendamt und Schulbehörde wollten nichts bemerkt haben. Jahrelang soll die Mutter die Mädchen fast gänzlich von der Außenwelt abgeschirmt haben.

"Wegen Quälens und Vernachlässigens von Unmündigen" saß die studierte Juristin am Klagenfurter Landesgericht auf der Anklagebank. Da der Vater Richter am Linzer Oberlandesgericht ist, wurde der Fall nach Kärnten delegiert. Seit der Scheidung Ende der 90er-Jahre lebte die Mutter mit ihren drei Mädchen allein im Haus. Von Jahr zu Jahr verhielt sich die Frau sonderbarer, das fiel zumindest den Nachbarn auf. Als die zwei jüngeren Kinder nur mehr unregelmäßig zur Schule kamen, wurde das Jugendamt eingeschaltet. Die Familie erhielt eine sozialpädagogische Betreuung, dennoch verschlechterte sich die Lebenssituation der Mädchen. Erst als ein Nachbar dem Bezirkshauptmann mit einer Amtshaftungsklage drohte, sei es plötzlich ganz schnell gegangen. Die total verstörten Kinder wurden nach fünf Jahren der zunehmenden Vereinsamung aus dem verdreckten Haus befreit.

Anfangs hatte es so ausgesehen, als müsste nur die psychisch schwer kranke Mutter auf der Anklagebank am Landesgericht Klagenfurt Platz nehmen. Dann gerieten aber auch die zuständigen Behörden ins Visier der Justiz. Die Staatsanwaltschaft Linz leitete Vorerhebungen gegen unbekannte Täter ein. Justizministerin Maria Berger (SPÖ) zeigte sich "schockiert", dass die Causa erst durch ein "Müllproblem" ans Tageslicht gelangt sei. "Jedes beteiligte Amt trägt Verantwortung mit."

Auch der Bezirkshauptmann von Urfahr-Umgebung, Helmut Ilk, räumte Fehler ein: "Es hat eine Verkettung von Fehlern gegeben."

In Oberösterreich werden pro Jahr rund 5000 Meldungen möglicher verwahrloster Kinder bearbeitet. Etwa 1000 davon kommen in ein Heim. (red/DER STANDARD, Printausgabe, 23. Juni 2008)