Warum nicht einmal Urlaub in Nordungarn? Die barocke Synagoge von Mád, ...

Foto: Martin Fejer

... und die Altstadt von Eger sind nur zwei der vielen Highlights in der Region.

Foto: Martin Fejer
Das Mittelgebirgsland nordöstlich von Budapest gehört nicht unbedingt zu den im Ausland bekanntesten Fremdenverkehrsdestinationen Ungarns. Dabei lädt die Region an den Ausläufern des westlichen Karpatenbogens zu zahlreichen Entdeckungen ein. Ob sich der Reisende an kleinen architektonischen Wundern des Spätbarocks erfreuen will, dem Planschen in Thermalwässern frönt oder dem Geschmack des Tokajers verfallen ist: im Norden Ungarns wird er auf seine Rechnung kommen.

Die Entdeckungsreise beginnt in Eger. Kenner nennen die 80 Kilometer von Budapest entfernt gelegenen Kleinstadt ein „barockes Schatzkästchen“. Ihre Besucher schätzen sie wegen ihres mediterranen Flairs, zu dem Straßencafés und Kunstgewerbeläden beitragen. Die Heldentaten der Verteidiger der Burg von Eger bei der türkischen Belagerung 1522 sind jedem ungarischen Schulkind bekannt.

Der Roman „Sterne von Eger“ (1899) von Géza Gárdonyi ließ auch Leser in anderen Ländern an diesem Nationalmythos teilhaben. Das barocke Eger, wie es sich heute darbietet, verdankt sich der Bauwut der hier herrschenden Bischöfe im 18. Jahrhundert. Neben der Minoritenkirche ist das Lyzeum das bemerkenswerteste Baudenkmal dieser Periode. Errichten ließ es Fürst-Erzbischof Karl von Esterházy (1725–1799), ein energischer Förderer der Künste und Wissenschaften und zugleich heftiger Gegner der Aufklärung und der josefinischen Reformen. Innig glaubte er an die Erneuerbarkeit des römischen Glaubens. Die Wiener Barockmaler Johann Lukas Kracker und Joseph Zach beauftragte er, im Deckenfresko der Bibliothek das Tridentinische Konzil zu verewigen, das den Auftakt zur Gegenreformation bildete.

Von Eger geht es durch das Bükkgebirge nach Bükkszentkereszt. In den umliegenden Wäldern sucht der 80-jährige György Szabó nach Kräutern, die die Essenz seines viele Leiden lindernden Heiltees ausmachen. Das Wissen um die Heilkraft der Natursubstanzen habe er von seiner Großmutter vermittelt bekommen, erzählt er. Fit, rüstig und rege, wie der Alte ist, ist man in der Tat geneigt, an die Wunderkraft seiner Tees zu glauben. Zu übernachten lohnt es sich im Palasthotel von Lillafüred, ein im Neorenaissancestil errichteter Bau aus dem Jahr 1930.

Der nächste Tag lässt sich treffend im Höhlenbad von Miskolctapolca beginnen. Das Thermalwasser fließt hier durch ein System von Karstgrotten. Das Badevergnügen verbindet sich mit dem Spaß des Höhlenerkundens. Über Miskolc, einer ehemaligen Metropole der ungarischen Stahlindustrie, die sich als innovationsfreudige Kulturstadt neu zu definieren versucht, geht es weiter nach Tokaj.

In zahlreichen Kellereien wird der berühmte Tokajer verkostet. Er wird aus einer Beere gekeltert, die ein Schimmelpilz befällt, der nur im hiesigen spezifischen Mikroklima zu gedeihen vermag. In die Welt gebracht haben den Tokajer zumeist jüdische Händler. Ihre Nachfahren starben im Holocaust.

Einige der Synagogen wurden inzwischen restauriert. Ein Kleinod unter ihnen ist die barocke Synagoge von Mád nahe Tokaj aus 1795, das einzige jüdische Gotteshaus dieses Stils in Mitteleuropa. Sie war verfallen und wurde 2004 instand gesetzt. Das Budapester Architektenpaar Péter Wirth und Ágnes Benkö stellte die Fassade mit ihren barocken Zopfstilelementen wieder her und erneuerte im Inneren sowohl die aus dem 19. Jahrhundert stammenden farbenfrohen ornamentalen Fresken als auch die halbreliefartigen goldenen Löwen und Greifvögel. (Gregor Mayer aus Budapest, DER STANDARD, Printausgabe, 24.6.2008)