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Benita Ferrero-Waldner: "Ich äußere mich nicht zu militärischen Fragen, unsere europäische Position aber ist ganz klar: Wir wollen eine diplomatische Lösung."

Foto: Reuters/Sergei Karpukhin
Im Atomstreit hofft EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner im Gespräch mit Christoph Prantner auf Diplomatie statt auf militärische Lösungen. Teheran solle das neueste Verhandlungsangebot der Staatengemeinschaft nützen.

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STANDARD: Um das iranische Atomprogramm werden dieser Tage stetig Drohkulissen aufgebaut. Für wie realistisch halten Sie einen bewaffneten Konflikt im Nahen Osten?

Ferrero-Waldner: Eine Gefahr ist nie ganz auszuschließen. Aber wir sind gegenwärtig in einem Moment, in dem die internationale Gemeinschaft ein neues Angebot vorgelegt hat. Javier Solana hat Teheran vor wenigen Tagen einen umfassenderen Paketvorschlag präsentiert. Auch die Iraner haben ein Angebot gemacht. Wir sind also in einer Verhandlungssituation. Das muss man nützen.

STANDARD: Wie schätzen Sie die Drohsignale aus Israel ein? Sind diese scharfen Töne erwünschte Begleitmusik, oder verkomplizieren sie die Gespräche nur unnötig?

Ferrero-Waldner: Es gibt überall Hardliner und solche, die auf die Diplomatie setzen. Es ist ganz wichtig, eine geschlossene internationale Haltung zu haben, und die wurde mit diesem Verhandlungsangebot zum Ausdruck gebracht. Wir hoffen, dass die Iraner bald darauf antworten.

STANDARD: Wäre ein Militärschlag gegen iranische Atomanlagen überhaupt sinnvoll? US-Experten behaupten, ein solcher wäre nur wirksam, wenn 1000 Ziele im Iran aus der Luft angegriffen würden.

Ferrero-Waldner: Ich äußere mich nicht zu militärischen Fragen, unsere europäische Position aber ist ganz klar: Wir wollen eine diplomatische Lösung.

STANDARD: Im regionalen Kontext tut sich offenbar mit Blick auf die iranische Atomfrage einiges: Zwischen Syrien und Israel laufen Gespräche. Eine Waffenruhe mit den Palästinensern wurde geschlossen. Wie substanziell ist das alles?

Ferrero-Waldner: Im Endeffekt kann es im Nahen Osten nur eine umfassende Gesamtlösung geben. Das wissen alle, da gibt es diese drei Komponenten – Israel-Palästina, Libanon, Israel-Syrien –, die irgendwann einmal zusammenfinden müssen. Die Annäherung zwischen Israel und Syrien ist wichtig und braucht Zeit, wir in der EU bestehen allerdings auch darauf, dass die israelisch-palästinensischen Gespräche dadurch nicht beeinträchtigt werden.

STANDARD: Stichwort Libanon-Konferenz: Die EU hat acht Millionen Euro für das Flüchtlingslager Nahr al-Bared zugesagt. Welche finanziellen und politischen Hilfen bietet die Union noch an?

Ferrero-Waldner: Wir haben für den gesamten Libanon insgesamt 500M illionen Euro zugesagt und arbeiten das in entsprechenden Programmen ab. Die EU ist einer der größten Geber dort. Der Libanon ist außerdem Mitglied in der Nachbarschaftspolitik, dabei geht es um den Wiederaufbau nach dem Krieg 2006 sowie darum, dass das Land endlich mehr Investitionen anzieht.

Ganz konkret haben wir geholfen, den Schutt wegzuräumen und nichtexplodierte Geschosse zu entschärfen, denn erst dann kann man an den Wiederaufbau gehen. Es geht um Infrastruktur, Abwasser und dergleichen. Das muss man auch im politischen Kontext als Hilfe für Premier Siniora und seine Regierung sehen.

STANDARD: Frankreich hat weit zurückreichende Interessen in dieser Weltgegend. Was erwarten Sie sich von der kommenden französischen EU-Präsidentschaft in diesem Zusammenhang?

Ferrero-Waldner: Jede Präsidentschaft muss ein ehrlicher Makler zwischen den Interessen sein. Präsident Sarkozy hat einige explizite Ideen im Bereich Verteidigung oder Immigration. Und er hat konkrete Pläne für eine Mittelmeer-Union.

STANDARD: Wird diese Union etwas Besseres als der Barcelona-Prozess, oder bekommt der nur ein neues Mascherl? Muammar al-Gaddafi etwa hat ja schon einige Unfreundlichkeiten ausrichten lassen.

Ferrero-Waldner: Barcelona ist die Basis. Ich bin offen für jede Verbesserung, für jeden echten Mehrwert. Wenn es länderübergreifende Projekte gibt, dann ist das ein echter Mehrwert. Auch weil es den politischen Deadlock aufbricht. Und zu Herrn Gaddafi: Er sollte sich am wenigsten dazu äußern, er ist ja nicht einmal Mitglied im Barcelona-Prozess. (DER STANDARD, Printausgabe, 24.6.2008)