Seit mittlerweile mehr als sechs Monaten - beginnend mit der Wiederbelebung des Friedensprozesses in Annapolis im November 2007 - reden israelische und palästinensische Unterhändler wieder miteinander. Ihr ausgewiesenes Ziel ist es, noch vor Jahresende ein Abkommen über einen Palästinenserstaat zu erreichen. Die Kernfragen betreffend Grenzverlauf, Jerusalem und die Rückkehr der Flüchtlinge sind wieder auf der Tagesordnung und die Umrisse einer Zwei-Staaten-Lösung werden sichtbar. Zuletzt gab es einige ermutigende Signale: Ägypten hat einen Waffenstillstand zwischen der Hamas und Israel im Gazastreifen vermittelt, es gibt Anzeichen für einen innerpalästinensischen Dialog und es scheint an der israelisch-syrischen Front Bewegung zu geben. Wir müssen die Chance auf Frieden ergreifen.

Umfassender Friede im Nahen Osten ist das strategische Ziel der EU, und die Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts auf Basis einer Zwei-Staaten-Lösung ist der Schlüssel dazu. Europa will und muss erkennen, wie wichtig die Schaffung eines unabhängigen, demokratischen und lebensfähigen Palästinenserstaates ist, der friedlich neben Israel existiert. Dazu müssen die Fundamente und Strukturen eines Palästinenserstaates geschaffen werden und hier spielt die EU - auf der Basis eines im Vorjahr akkordierten Planes - eine internationale Führungsrolle. Eine wichtiger Teil dieses Plans zielt auf die Schaffung von Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit, die die Eckpfeiler des sich entwickelnden Palästinenserstaates sind und daher auch im Zentrum der Agenda bei der großen Außenminister-konferenz am 24. Juni in Berlin stehen werden.

Ziel dieser Konferenz ist es, im kommenden Jahr die finanziellen Mittel für den Aufbau einer zivilen Polizei und Strafjustiz zur Verfügung zu stellen. Die EU hilft den Palästinensern bei der Stärkung ihres zivilen Sicherheitsapparates aber nicht nur mit Worten oder Geld sondern auch mit Menschen. Unsere Polizeimission Eupol Copps ist in den Palästinensergebieten seit November 2005 im Einsatz und berät und überwacht die Palästinenserbehörden bei ihren Bemühungen, eine zivile Polizeitruppe aufzubauen und Recht und Ordnung herzustellen. Kanada, Norwegen und die Schweiz unterstützen diese Mission, bei der wir auch eng mit unseren US-Partnern zusammenarbeiten.

Die Eupol Copps ist nicht die einzige EU-Sicherheitsmission im Nahen Osten. Unsere Grenzeinsatzmission Eubam Rafah, die für die Überwachung des Rafah-Grenzübergangs zwischen Ägypten und Gaza im Jahr 2005 ins Leben gerufen wurde, ist einsatzbereit, und EU-Mitgliedsländer bilden das Rückgrat der UN-Truppen im Libanon (UNIFIL).

Unsere Bemühungen sind fruchtbar und helfen mit, vor Ort die Lage zu verbessern. Allein im letzten Jahr hat die EU-Mission 800 Polizisten ausgebildet, hat Polizeistationen instandgesetzt und hat zum Kommunikationsnetzwerk der zivilen Polizei beigetragen. Die Palästinenserbehörde hat begonnen, Polizeitruppen in größeren städtischen Gebieten wie Nablus einzusetzen und übernimmt schrittweise die Verantwortung für die Sicherheit im Westjordanland. Palästinensische und israelische Sicherheitskräfte kooperieren und diese Kooperation muss weitergehen und zunehmen.

Die Maßnahmen im Bereich Sicherheit und Rechtsstaatlichkeit sind Teil größerer Bemühungen, die Lebensbedingungen des palästinensischen Volkes zu verbessern: Straßensperren müssen abgebaut werden, Lastwagen müssen Güter ungehindert transportieren können, Menschen müssen ungehindert zur Arbeit, in die Schulen oder Spitäler gelangen können, Bauern müssen Obst und Gemüse anbauen und verkaufen können, Investoren müssen ermutigt werden, ausländisches Kapital ins Land zu bringen, Betriebe müssen gegründet werden. Und es werden nicht nur die Palästinenser davon profitieren. Die Sicherheitsinteressen Israels können durch einen friedlichen, demokratischen und endlich florierenden Palästinenserstaat nur gewinnen und die gesamte Region wird stabilisiert, wenn Israelis und Palästinenser ihren 60 Jahre dauernden Konflikt beenden. Die EU tut alles, was sie kann, um ihnen dabei zu helfen. (DER STANDARD, Printausgabe, 24.6.2008)