London/Jerusalem/Wien - Nach Meinung des früheren US-Botschafters bei der UNO, John Bolton, könnte Israel den Iran in der Zeit nach den US-Präsidentenwahlen am 4. November und vor der Angelobung des neuen amerikanischen Staatsoberhaupts am 20. Jänner angreifen. In einem am Dienstag veröffentlichten Interview mit der britischen Zeitung "Daily Telegraph" sagte Bolton, er gehe nicht davon aus, dass sich die USA an einem solchen Militärschlag beteiligen.

Die US-Regierung habe sich im Wesentlichen von dieser Möglichkeit verabschiedet, bedauerte der als Hardliner geltende Diplomat. Vor einen Jahr habe er aber so etwas noch für möglich gehalten. Israel hingegen habe einen Zeitplan vor Augen angesichts der Fortschritte des Iran bei dessen nuklearen Fähigkeiten und gleichzeitigem Ausbau seiner Verteidigungskapazitäten. Allerdings würde Israel nicht vor den US-Wahlen zuschlagen, weil die Auswirkungen nicht abzuschätzen seien.

Blitzvisite in Israel

Unter einem Präsidenten Barack Obama, so Bolton, wäre ein israelischer Militärschlag ausgeschlossen, weil die Israelis angesichts der außenpolitischen Haltung des demokratischen Kandidaten Konsequenzen befürchten müssten. Mit dem Republikaner John McCain könnten sie sich aber noch ein wenig Zeit lassen. Die arabische Welt würde einen Militärschlag gegen den Iran öffentlich verurteilen, sich insgeheim aber darüber freuen, fügte der für seine umstrittenen Aussagen bekannte Diplomat hinzu.

Unterdessen berichtete die "Jerusalem Post" in ihrer Internetausgabe, dass US-Generalstabschef Michael Mullen am Wochenende zu einer Blitzvisite in Israel erwartet werde. Der Besuch könnte Spekulationen über einen israelischen Militärschlag gegen den Iran weiter anheizen, schrieb das Blatt. Einige Wochen nach Mullens Visite werde sein israelischer Amtskollege Gaby Ashkenazi einen Gegenbesuch in Washington absolvieren.

Die "Jerusalem Post" weist auch darauf hin, dass der Besuch Mullens, der sich auf einer Europatour befindet, einige Wochen nach einem israelischen Luftwaffenmanöver über dem Mittelmeer stattfindet, bei dem rund 100 Kampfjets zum Einsatz gekommen waren. In Medienberichten war in diesem Zusammenhang von einer möglichen "Generalprobe" für einen Angriff auf den Iran die Rede. (APA)