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Fatih Terim, türkischer Coach, brütet vor dem Semifinale nicht den Ball aus, sondern über seiner kurzen Kaderliste.

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Joachim Löw kann sich auch kadermäßig rühren.

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Joachim Löw steht vor einer Grundsatzentscheidung: Stellt er Torsten Frings heute, Mittwoch (Basel, 20.45, Karten im Schwarzhandel erhältlich), im Halbfinale gegen die Türken auf und Simon Rolfes aus dem deutschen Team? Das defensive Mittelfeldduo Rolfes-Hitzlsperger neutralisierte im Viertelfinale nicht nur die kreative Achse der Portugiesen (Deco-Moutinho-Petit), es spielte auch Michael Ballack frei. Der half zwar hinten aus, wenn es notwendig war, aber er hatte auch den Rücken frei, wenn er kreativ tätig werden wollte. Ein diesbezüglicher Anfall führte auch zum 1:0 (Ballack-Podols- ki-Schweinsteiger).

Eine lange Liste

Die Türken wissen das alles, aber sie wissen nicht, wie sie selbst antreten werden. Emre Güngör und Kapitän/Stürmerstar Nihat Kahveci ("Wir spielen im Finale gegen Spanien!") sind marod, Servet Çetin aller Voraussicht nach ebenfalls. Sicher ist, dass Volkan Demirel, Arda Turan, Tuncay Sanli und Emre Asik gesperrt sind. Dafür könnten Tümer Metin und Emre Belözoglu, der sich im ersten Spiel gegen Portugal (0:2) eine Wade zerrte, wieder arbeitsfähig sein. Fatih Terim, der eher halblustige Teamchef der Türkei, bot auf der Gerüchtebörse den dritten Goalie, Tolga Zengin, als eventuellen Mittelstürmer an. Wie ernst das gemeint ist, weiß nicht einmal Zengin. Aber es passt zum Eindruck der Irrationalität, den die Türken im Turnier abgeben.

Die Deutschen kommen um die Favoritenrolle nicht umhin, aber nützt das gegen eine Mannschaft, die sich weigert, ein Spiel als verloren anzuerkennen? Der nationale Torschützenkönig Semih Sentürk, der gegen die Schweiz und Kroatien eingewechselt wurde und je ein Ausgleichstor erzielte, könnte ausnahmsweise von Beginn an mitmachen. Statt sich darüber zu freuen, wurde ihm von den türkischen Medien vorgeworfen, nur als Joker gute Leistungen zu bringen. "Ich glaube nicht, dass ich schlecht spiele, wenn ich von Anfang an spiele", wehrte sich Sentürk zaghaft. Nützt ihm freilich nichts. Denn die Irrationalität soll wohlbehalten mit den Türken das Halbfinale erreichen. Sie ist deren verlässlichster Partner. Gegen die Schweiz (2:1), Tschechien (3:2) und Kroatien (4:2) drehten die Türken das Spiel um - jedes Mal in den letzten Sekunden. Das ist nicht nur witzig, denn die Türken spielen den unfairsten Fußball, sie haben die meisten Fouls (87) und die meisten Gelben (14) auf dem Gewissen.

Das Ärgste überstanden

Der statistisch gesicherte Aberglaube begleitet freilich auch die Deutschen. In der EM-Geschichte (drei Titel!) haben sie nämlich erst ein Semifinale nicht gewonnen. Das war 1988 gegen die späteren Europameister aus Holland (van Basten, Gullit, Rijkaard). Zwar schieden sie in den beiden vergangenen Endrunden (2000, 2004) schon in den Gruppenspielen aus, aber wenn sie schon einmal da sind, werden sie wohl den ganzen Weg gehen.

Die heikelsten Fragen hat Löw mit sich selbst zu lösen. Bleibt er seinem 4-4-2 treu, das er nur aus Notwendigkeit gegen Portugal variierte (4-3-2-1), und holt er den mit einer angeknacksten, mittlerweile angeblich schmerzfreien Rippe belasteten Frings als defensiven Mittelfeldspieler zurück? Jetzt, da ein System sich als tragfähig erwiesen hat, das Ballack den Freiraum gibt, den er stets zu haben behauptete? Will Löw der nicht zuletzt von ihm geforderten und propagierten Auferstehung von Podolski (als linkem offensiven Flügel/Mittelfeldspieler) und Schweinsteiger (rechts als Flügel/Antreiber) im Weg stehen?

Löw würde sein eigenes Credo brechen, nähme er alte Konstellationen wichtiger als Weiterentwicklung und Rücksicht auf aktuelle Probleme.

Der technische Direktor der UEFA, Andy Roxburgh, beschrieb die neue Sachlichkeit der Deutschen: "Gegen Portugal wurde Ballack in eine Freigeistrolle befördert - und bumm!" (Johann Skocek aus Basel, DER STANDARD Printausgabe 25.06.2008)

Technische Daten und mögliche Aufstellungen für das erste Halbfinale der EURO 2008 am Mittwochabend in Basel:

  • Deutschland - Türkei (Basel, St. Jakob-Park, 20.45 Uhr/live ORF 1, Schiedsrichter Massimo Busacca/SUI)

    Deutschland: 1 Lehmann - 3 Friedrich, 17 Mertesacker, 21 Metzelder, 16 Lahm - 8 Frings, 6 Rolfes - 7 Schweinsteiger, 13 Ballack, 20 Podolski - 11 Klose

    Ersatz: 12 Enke, 23 Adler - 2 Jansen, 4 Fritz, 5 Westermann, 9 Gomez, 10 Neuville, 14 Trochowski, 15 Hitzlsperger, 18 Borowski, 19 Odonkor, 22 Kuranyi

    Es fehlen: Keine

    Türkei: 1 Rüstü - 20 Sabri, 4 Gökhan Zan, 16 Ugur Boral, 3 Hakan Balta - 18 Kazim Kazim, 22 Hamit Altintop, 7 Mehmet Aurelio, 6 Mehmet Topal, 10 Gökdeniz Karadeniz - 9 Semih Sentürk Ersatz: 12 Tolga - 11 Tümer, 19 Ayhan, 21 Mevlüt

    Es fehlen: 23 Volkan (Rotsperre nach Ausschluss gegen Tschechien), 14 Arda Turan, 15 Emre Asik, 17 Tuncay (alle Gelbsperre), 2 Servet (Bänderverletzung im Knie), 5 Emre Belözoglu, 13 Emre Güngör (beide Wadenverletzung), 8 Nihat (Oberschenkelverletzung) Fraglich: 11 Tümer (Leistenverletzung)