Peter Filzmoser entwickelte in Minsk das Fundament für Clusteranalysen von Daten.

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Die dreimonatige Gastprofessur von Peter Filzmoser an der Belarusian State University (BSU) in Minsk war solide vorbereitet. Seit 2001 hatte der Statistiker von der Technischen Uni Wien nach Weißrussland wissenschaftliche Kontakte im Forschungsfeld Robuste Statistik geknüpft. Im Mai 2006 wurde sein Antrag im Moel-Plus-Förderungsprogramm mit Fokus auf mittel-, ost- und südosteuropäische Länder von der Österreichischen Forschungsgemeinschaft bewilligt. Zwei weitere Jahre vergingen, bis in einer gemeinsamen Anstrengung der letzte weiße Fleck auf der Europakarte mit einer formalen TU-BSU-Uni-Partnerschaft gefüllt werden konnte. Anfang März 2008 verließen Peter Filzmoser, seine Frau, seine Schwiegermutter und seine drei Kinder im Alter von neun, elf und 13 Jahren in ihrem Kleinbus das steirische Vorau Richtung Osten. Mit den Minsker Kollegen an der Fakultät für angewandte Mathematik und Informatik der BSU – der fünftbesten Uni im russischsprachigen Raum – konkretisierte der Professor am Institut für Statistik und Wahrscheinlichkeitsrechnung das Fundament für die Clusteranalyse von räumlich und zeitlich abhängigen, mehrdimensionalen Daten, wie sie etwa in den Umweltwissenschaften erhoben werden: "Wir wollen ein Verfahren entwickeln und publizieren, das trotz mangelhafter Datenqualität sinnvolle und stabile Ergebnisse liefert", erläutert der 40-jährige. Das Lehrmaterial für seine Statistikvorlesung samt dem frei verfügbaren Softwarepaket "R" und angewandten Datenbeispielen hat er dort gelassen "denn ein wenig Entwicklungshilfe war auch ein Ziel meiner Reise". Seit der Habilitation 2001 hat er Europa bereist. Als Statistiker braucht man „glücklicherweise kein teures Equipment: einen Computer, Papier und Stift, Software und den Kopf“, so der gebürtige Welser, der 2007 schon eine Gastprofessur in Toulouse innehatte. Nicht nur die Wissenschaft baute eine Brücke nach Weißrussland: Musik, der katholische Glaube und die autodidaktischen Sprachkenntnisse von Frau Filzmoser eröffneten der ganzen Familie neue Perspektiven auf ein Land, "das in unseren Köpfen mit den Auswirkungen eines Atomunglücks und politischer Isolation assoziiert wird". Mit ihrem "vierstimmigen Gesang über drei Generationen" kamen die Filzmosers wochenends herum in einem Staat, der zweieinhalb Mal so groß ist wie Österreich und rund zehn Millionen Einwohner hat. Gespräche mit einem Kolchosnik oder dem früheren Bildungsminister, Paraden am 9. Mai, eine Wohnung im Studentenheim, der Minsker Domchor und der Schulbesuch der Kinder erschlossen ihnen die Gesellschaft von innen. In Erinnerung bleibt die herzliche Aufnahme. Der BSU wünscht Peter Filzmoser alsbald eine tragfähige Internetverbindung und für den weiteren wissenschaftlichen Austausch eine eigene österreichische Botschaft in Weißrussland. Bisher müssen die Minsker nämlich für ein längerfristiges Visum 700 Kilometer nach Moskau fahren. (Astrid Kuffner/D ER S TANDARD , Print-Ausgabe, 25.6. 2008)