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EU-Kommissarin Neelie Kroes hat gegen Rewe-Adeg keine Bedenken.

Foto: Reuters/François Lenoir
Rewe muss nach dem Kauf von Adeg voraussichtlich mehr als 100 Millionen Euro Umsatz abgeben. Die Wettbewerbsbehörde verweist auf die Möglichkeit, gegen die EU-Entscheidung zu berufen.

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Wien - Rewe muss nach der Übernahme der Adeg in einzelnen Regionen mehr Standorte abgeben, als bisher angenommen. Insgesamt geht es um ein Umsatzvolumen von knapp über 100 Mio. Euro, von dem sich der Handelskonzern trennen muss, um die Auflagen der EU-Kommission zu erfüllen, erfuhr der Standard. Ein guter Adeg-Laden kommt auf 2,5 bis drei Mio. Euro Umsatz, ein selbstständiger Kaufmann erzielt rund eine Mio. Euro.

"Wir werden in den kommenden Monaten an der Umsetzung der Auflagen arbeiten", sagt Rewe-Chef Frank Hensel. Handlungsbedarf gibt es in 28 politischen Bezirken. Rewe darf hier den Marktanteil von 35 Prozent mit Adeg nicht überschreiten. In einzelnen Regionen erreicht der Konzern allerdings eine Marktdurchdringung von 45 Prozent - weiterer Zuwachs mit Adeg ist dort untersagt.

Abgegeben werden überwiegend die von Adeg in Eigenregie und mit Verlusten geführten Filialen. Adeg selbst wird sich auf selbstständige Kaufleute - es sind aktuell 622 - und den Großhandel konzentrieren.

Rewe sichert sich mit Adeg ein flächendeckendes Cash & Carry-Geschäft mit 19 AGM-Märkten inklusive der Gastronomiebelieferung und wird in dieser Sparte auf einen Schlag zur Nummer drei hinter Metro und Pfeiffer. Adeg setzte damit zuletzt knapp 220 Mio. Euro um, acht Standorte schrieben Verluste. Rewe bediente den Gastronomiemarkt in Österreich bisher nur von Chiemsee aus.

Klar ist, dass Rewe bei Adeg alle Synergien nutzen wird, von Einkauf über die Buchhaltung bis zum Marketing. Hinter den Kulissen arbeiten Projektgruppen seit Monaten an der Zusammenlegung der Logistik. Davon betroffen ist vor allem das Adeg-Lager in St. Pölten. Branchenkenner gehen davon aus, dass Rewe die Region künftig über ihr Zentrallager in Wiener Neudorf beliefert. Den Kärntner Vertrieb werde voraussichtlich der Adeg-Standort in Spittal an der Drau übernehmen

Wettlauf um die Kaufleute

Dass etliche Arbeitsplätze verloren gehen, wird von niemandem in der Branche bezweifelt. Viele gehen allerdings auch davon aus, dass Rewe Geld in die Hand nehmen werde, um selbstständige Kaufleute aus anderen Organisationen abzuwerben.

Aber auch um die Standorte, die Rewe und Adeg aufgeben müssen, hat das Rennen bereits begonnen. "Wir müssen uns mit der Entscheidung aus Brüssel abfinden, wir werden das beste daraus machen", sagt Erich Schönleitner, Chef des Großhändlers Pfeiffer und Vorsitzender der Nah & Frisch. Die ZEV rund um Nah & Frisch und Unimarkt habe Interesse an allen Filialen in den für Rewe kritischen Bezirken. "Sie passen ideal in unser Liefergebiet." ZEV hat Adeg mit Mai in punkto Marktanteilen laut ACNielsen überholt.

Großhändler Christof Kastner bemüht sich um Standorte. "Wir prüfen alle verfügbaren Märkte", heißt es auch bei Spar. Explizites Interesse an den Rewe-Adeg-Outlets gebe es aber nicht. Die Adeg-Kaufleute selbst wurden von der Rewe über die Übernahme noch nicht informiert. Die Bereitschaft zu anderen Handelspartnern zu wechseln, ist gering.

An scharfer Kritik an der EU-Entscheidung fehlt es nicht. Die Industrie und Mitbewerber klagen, dass Brüssel falsche Maßstäbe bei der Bewertung der Marktmacht herangezogen habe. Auch die österreichische Wettbewerbsbehörde ließ durchklingen, dass ihr die Bekämpfung des Urteils nicht so unrecht sei. Sie selber hat dagegen keine Handhabe. Die Entscheidung der EU-Kommissarin Neelie Kroes sei zu akzeptieren, meint der oberste Kartellwächter Theodor Thanner. "Ich hätte mir gewünscht, dass man stärker auf unsere Argumente eingeht." Spar will über eine Klage vor dem Europäischen Gericht demnächst entscheiden. (Verena Kainrath, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 25.6.2008)