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Verdächtige" Crêperie in der Wiener EM-Meile.

APA
Österreich zelebriert die Europameisterschaft im Fußball, Flaggen wehen von Autodächern, national gefärbte Gesichter überall, Wien zeigt, dass es anders ist, weltoffen, multikulturell, ein bisschen wie Berlin, das während der Weltmeisterschaften eine andere deutsche Geschichte zeigen wollte, und in der Fanzone trinken alle das gleiche Bier um vier Euro fünfzig.

Hoffen auf den ersten ...

Während dort so mancher Stand schon zugesperrt hat, weil doch nicht alle Bier um vier Euro fünfzig trinken wollen, werden an einem noch immer Tag für Tag Crêpes verkauft, eine süße oder salzige Ausnahme inmitten der Würste und Kebabs. Die Köche wurden aus Frankreich eingeflogen, ein Teil der Belegschaft musste schon entlassen werden, nun geht es darum, finanziellen Schaden zu begrenzen. Ob jemand von einem anderen Stand eifersüchtig war, weil die Crêpes doch gern gegessen werden, jemand die Beamten mit einem gezielten Hinweis zu dem Stand lotste oder es sich bloß um die gemeine alltägliche Niedertracht handelte, lässt sich nicht sagen. Jedenfalls tauchen ein Beamter und eine Beamtin des Finanzamtes auf, um den Stand unter die Lupe zu nehmen.

Die Köche und der Kassier haben ihre Papiere und Bewilligungen, alles bestens. Die Betreiberin und ihr Geschäftspartner, ein Franzose, der seit längerem in Wien lebt, die Köche ausgewählt hat und die Zutaten, Teller und Bestecke einkauft, sitzen hinter dem Stand. Als der Geschäftspartner nach vorne kommt, wird er sofort in die Mangel genommen. Was er hier tue? - Sich um den Stand kümmern. - Ob er Papiere habe? - Natürlich, einen französischen Führerschein, lachsfarben mit den Sternen der Europäischen Union, und einen Ausweis der französischen Botschaft.

Das ist kein Franzose, sagt der Beamte zur Beamtin, lässt sich die Dokumente reichen und fotografiert sie. Noch einmal: Ob er illegal hier sei, oder nur illegal beschäftigt? Der Mann wird ausgequetscht, die Beamten machen kein Hehl daraus, dass sie ihm kein Wort glauben wollen. Die Betreiberin mischt sich ein, die Beamten machen eine Niederschrift: Das sei ihre Darstellung, die das Amtes bekomme sie geschickt. Ob sie auch einen Weißen so gezielt und demütigend angegangen wären, will die Betreiberin wissen, und bekommt ein Lachen zur Antwort: Das höre man dann immer als erstes.

Vielleicht hätte ein Blick ins Paninistickeralbum genügt, ein kurzes Verweilen bei der französischen Nationalmannschaft. Vielleicht hätten auch ein paar Minuten Frankreich gegen Italien gereicht, um jemandem, der nicht wie Luis de Funès aussieht, die gleiche Staatsbürgerschaft zuzugestehen.

Allein die Anmaßung, jemandem, der Dokumente vorweist, diese aufgrund seiner Hautfarbe nicht zu glauben, ist schon ein ungeheuerlicher Skandal. Aber jemandem, der schwarz ist und französisch spricht, einen französischen Führerschein und einen Ausweis der französischen Botschaft vorweist, rigoros abzusprechen, dass er Franzose ist, ist gehässige Dummheit - das Wort mit dem großen R muss gar nicht eigens ausgesprochen werden. Es wäre aber nicht Wien, wäre vor ein paar Jahren nicht Samuel Ipoua, Rapid-Stürmer aus Kamerun, wiederholt wegen Verdachts auf Drogenbesitz aufgehalten worden.

... schwarzen Polizisten

Vielleicht wäre es auch nicht Österreich, wenn nicht nach dem Sieg der Türkei über Tschechien auf einmal und zum ersten Mal ein Polizist neben dem Reporter am Rathausplatz gestanden wäre und Suggestivfragen gestellt bekommen hätte. Reporter: Ist mit Ausschreitungen zu rechnen?, Polizist: Nein, ich freue mich, diesen Jubel miterleben zu dürfen, Reporter: Aber wenn die Türken im Viertelfinale verlieren? Man braucht sich nur die Frage zu stellen, was der Beamte vor dem Bildschirm sagte, wenn er einmal aus Bildungsgründen einem Fußballspiel beiwohnte und Rubin Okotie für Österreich auf den Rasen laufen sähe. Man will es sich nicht ausdenken. Das ist, leider, kein Wunder von Wien.

Zu wünschen bliebe nur, dass diese Beamten einmal von dem ersten schwarzen Polizisten Wiens beamtshandelt würden. Wien, Europa, 2008!(Clemens Berger/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 25.6.2008)