Briefmarken gelten als Aktie des kleinen Mannes.

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Mit Briefmarkensammlern verbindet man oft ganz sonderbare Assoziationen: etwa die vom greisen Herrn mit dicker Nickelbrille, der sich mit einer Lupe ins stille Kämmerlein zurückgezogen hat. Ganz so sei es in der Realität nicht, Briefmarken zu sammeln gelte zwar als ein ruhiges, aber auch als ein sehr bildendes Hobby, erklärt Reinhard Neumayr, Generaldirektor vom Verband österreichischer Philatelistenvereine (VÖPH). Der Gmundner hat vor rund 60 Jahren mit dem Briefmarkensammeln begonnen. Seine Leidenschaft wurde entzündet, als er als Sechsjähriger die kleinen bunten Bildchen auf dem Schreibtisch des Vaters entdeckte. Als erstes Sammelmotiv wählte er französische Kolonien – von Abbildungen von Landschaften bis hin zu Kriegsgenerälen. Exotisch und originell sind seine Sammlerschätze seither geblieben. Heute sucht Neumayr alles rund um Seepferdchen. In Österreich gehört das Sammeln von Briefmarken zu den größten Sammelgebieten. An die 70.000 Anhänger zählt die Sammlergemeinde mittlerweile. Sie treffen einander in Vereinen und kleinen Briefmarkenläden. Sie spinnen ihre Netzwerke weltweit – stets auf der Suche nach dem einen fehlenden Stück Papier, an dem Erinnerungen und Abenteuer haften. "Früher haben sich Sammler vor allem auf Länder beschränkt" , berichtet Philatelist Neumayr. "Später standen mehr die Motive im Vordergrund – von Monarchen über Flora und Fauna bis hin zu Ereignissen oder Kunstwerken."

Empfindliche Juwelen aus Papier

Briefmarken sind empfindliche Sammelobjekte. Daher sollten sie ausschließlich mit einer speziellen Pinzette angefasst und in Alben aufbewahrt werden. Von Top-Qualität sprechen Experten, wenn die Marke an den Rändern alle Zähne aufweist, das Markenpapier nicht geknickt ist und die Farben in alter Frische erstrahlen. Ob eine Marke mit oder ohne Stempel wertvoller ist, hängt vom Einzelfall ab. Dass Briefmarken aus rein finanziellen Gründen gesammelt werden, hören die ideellen Sammler nicht gerne. Tatsache ist aber: "Seltene Briefmarken werden als Investitionsobjekt immer sinnvoll sein, der Wert bleibt beständig" , erklärt der Briefmarkenexperte Fritz Sturzeis vom Wiener Dorotheum. Als Voraussetzung gilt: Sehr gute Sachkenntnis und Erfahrung müssen vorhanden sein. Höchstpreise erzielt dabei alles, was rar, gut erhalten und historisch ist. Österreich gehört in internationalen Sammlerkreisen zu den beliebtesten Ländern. "Besonders heimische Motive aus der Monarchie sind sehr gefragt" , berichtet Sturzeis. Anlegern empfiehlt er, in Marken aus der Briefmarken-Klassik bis 1900 oder der Semi-Klassik bis Ende des Zweiten Weltkrieges zu investieren. Der allerletzte Schrei sei derzeit auch das Sammeln von Postgeschichte. Sturzeis: "Gesucht werden Briefe und Postkarten mit Stempel und Marken." Wichtig ist, dass der Ort und das Datum deutlich lesbar sind. Liebhaber rekonstruieren so etwa Postwege, Postgebühren und Währungen über Jahrhunderte zurück.

Spannend wie ein Krimi

Von der wertvollsten Marke Österreichs, dem "Zinnoberroten Merkur" (Bild oben), sind weltweit nur mehr vierzig Stück übrig. Bei Auktionen brachte das Bildnis mit dem Götterboten zuletzt 24.400 Euro ein. Von den teuersten Marken weltweit, der "Blauen Mauritius" gibt es nur zwanzig Stück, von der "Roten Britisch Guyana" gar nur ein einziges. Ihr Sammlerwert liegt bei mehreren Millionen Euro. Im Gegensatz dazu erzielt die erste Briefmarke der Welt, die "One Penny Black" aus England von 1840, nur 60 Euro. Alle Marken, die nach 1960 auf den Markt kamen, sieht Fritz Sturzeis als Massenware und daher als Anlage nicht rentabel. "Wenn ich einen Briefmarkenkatalog anschaue, ist das so spannend wie ein Kriminalroman" , beschreibt der Sammler Neumayr. Man erinnere sich an Freunde zurück und lerne ständig dazu – über Geografie, Geschichte oder Kultur. Der Briefmarkensammler sei im Allgemeinen ein ruhiger und geselliger Mensch. Als Störfaktor empfindet Neumayr nur, dass die Sammler überaltert sind. "Alles was jünger als 50 ist, zählt bereits zur Jugend" , sagt der Pensionist.

"Fehlende Action"

Die Ursache für den fehlenden Sammlernachwuchs begründet er damit: "Den Teenagern fehlt die Action im Hobby." Action versucht die Österreichische Post in Form von Sondermarken zu vermitteln. Anlässlich der EURO 2008 entstanden etwa 40 Sondereditionen. So zeigt eine Briefmarke den ehemaligen Teamfußballer Andreas Herzog, der ein Tor schießt, sobald man die Marke bewegt. Sammlerfreunde findet wohl auch die erste runde Briefmarke, die aus demselben Material wie der Original-EM-Ball besteht. (Claudia Peintner, DER STANDARD, Print-Ausgabe, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 26.6.2008)