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Jabloko-Chef Sergej Mitrochin setzte sich in Demonstrationen für Chodorkowski ein

Foto: AP/Ponomarev
Moskau – Bei der einst größten liberalen Oppositionspartei Russlands ist es zu einem Führungswechsel gekommen. Der Gründer und Vorsitzende von Jabloko, Gregorij Jawlinski, hat beim Parteitag seinen Vorsitz zurückgelegt. Sein Nachfolger, Sergej Mitrochin, soll die von internen Konflikten gebeutelte Partei nun vor dem Auseinanderbrechen retten.

Der Wirtschaftsreformer Jawlinski gründete die Partei 1993 und war seitdem ihr Parteivorsitzender. Im Jahr der Gründung feierte Jabloko auch ihren größten Erfolg. Bei den Parlamentswahlen erhielt die Partei 7,8 Prozent der Stimmen. Doch dann ging es aufgrund der internen Querelen kontinuierlich bergab. Bei der Parlamentswahl im vergangenen Jahr erzielte Jabloko gar nur noch 1,7 Prozent.

Aufgrund dieses Absturzes in die Bedeutungslosigkeit regte sich innerhalb der Partei bereits seit längerem Widerstand gegen den Kurs Jawlinskis. Nachdem er zunächst einer der härtesten Kritiker von Präsident Boris Jelzin und dessen Nachfolger Wladimir Putin war, suchte Jawlinski in letzter Zeit den Dialog mit den Mächtigen. Um den St. Petersburger Jabloko-Chef Maxim Resnik gruppierte sich eine innerparteiliche Opposition, die jegliche Zusammenarbeit mit dem Kreml ablehnte und die Vereinigung mit anderen oppositionellen Kräften forderte. Jawlinski stellte sich jedoch gegen ein Bündnis mit der "Union rechter Kräfte" (SPS) sowie mit der Bewegung "Anderes Russland" des ehemaligen Schachweltmeisters Garri Kasparow und des Nationalbolschewisten Eduard Limonow.

Jawlinskis Wunschkandidat, der 45-Jährige Moskauer Jabloko-Vorsitzende Mitrochin, wurde mit 75 von 125 Stimmen zum neuen Vorsitzenden gewählt. Mitrochin gilt laut Kommersant als harter Politiker, der zu keinen Kompromissen bereit ist. Mitrochin erklärte nach seiner Wahl, dass er den Kurs Jawlinskis fortsetzen werde. Der studierte Pädagoge saß 1994 bis 2003 für Jabloko in der Staatsduma. Er engagierte sich im Umweltschutz und trat gegen die Einfuhr von Nuklearabfällen auf. In der Moskauer Stadtduma, der er seit 2005 angehört, war Mitrochin einer der schärfsten Gegner von Bürgermeister Juri Luschkow und dessen Bauprojekten.

Die Bestellung Mitrochins habe den radikalen Flügel der Partei entwaffnet, schreibt Gazeta.ru. Politologen halten jedoch den Handlungsspielraum des neuen Parteichefs für begrenzt. Jawlinski will sich nämlich keineswegs aus der Partei zurückziehen. Am Parteitag wurde die Gründung eines neuen Gremiums beschlossen. Dem sogenannten Politischen Komitee wird auch Jawlinski angehören. Das Komitee soll die Position der Partei zu den politischen Schlüsselfragen vorgeben und zudem berechtigt sein, den Parteichef zu suspendieren. Somit könnte Jawlinski indirekt Kontrolle über die Partei behalten. Russische Medien spekulieren auch über einen Wechsel in ein Regierungsamt. (ved/DER STANDARD, Printausgabe, 26.6.2008)