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derStandard.at: Frau Marek, als Ihr Integrationsmotto nennen Sie immer „Fordern und Fördern“. Bei Ihnen klingt da recht viel von den Rechten der MigrantInnen durch, bei anderen in der ÖVP, etwa bei Hannes Missethon, ist fast nur von Pflichten, Forderungen und von „linken Träumereien“ die Rede. Fühlen Sie sich als das soziale Gewissen der ÖVP?
Marek: (Lacht) Das find ich grundsätzlich schön, wenn man mich so sieht. Interessanterweise ist das, was Günter Platter vorgelegt hat, im Wesentlichen kein Unterschied zum ÖVP-Integrationspapier. Es geht einfach um die Balance zwischen Rechten und Pflichten. Wie das ankommt, ist halt auch immer eine Frage des Wordings und wer etwas dazu sagt. Aber im Entwurf von Günther Platter sind gute, spannende Ansätze drinnen, zu denen man jetzt die Details erarbeiten müsste.
derStandard.at: Es gab massive Kritik von NGOs an dem Papier.
Marek: Ich hab das natürlich auch gehört und gelesen. Die haben sich vielleicht mehr erwartet, das mag sein. Aber ich glaube trotzdem, dass das ein erster wichtiger Startschuss hätte sein können – in die Detailausarbeitung wären die NGOs ja dann eingebunden gewesen. Die Hüllen im Detail mit Leben zu erfüllen, das wäre eben der nächste Schritt gewesen. Es ist schade, dass das von der SPÖ blockiert wurde. Und in diesem Fall ist das wirklich eine Blockadehaltung.
Es sind kleinliche Einwände, die da vorgebracht werden. Denn wenn man im Detail drüber redet, kann man alles ausdiskutieren, bei allem eine Einigung erreichen. Aber man muss eben mal anfangen. Nicht einmal den Startschuss mit zu tragen, das finde ich einfach schade.
derStandard.at: Wieso will die SPÖ da nicht mit, denken Sie? Vermuten Sie da ein Trotzverhalten?
Marek: Ja, irgendwie schon. Vielleicht ist es einfach so, dass, weil Günter Platter jetzt geht, man ihm das nicht als letzten Erfolg gönnen will. Oder dass der Mut gefehlt hat, dieses Thema jetzt anzugehen. Die Blockade hat mich schon sehr gewundert, gerade weil Werner Faymann als langjähriger Wiener Stadtrat die Probleme mangelnder Integration ja jahrelang selbst gesehen hat.
Mein Wahlkreis ist Wien Süd, der 10., 11., 12. Bezirk. Da muss ich Ihnen ja nicht sagen, welche Probleme es gibt. Dieser ganze soziale Sprengstoff, den die Nicht-Integration erzeugt, das sehen wir unter anderem an den Wahlergebnissen der FPÖ in diesen Bezirken, die mit sehr billiger Polemik ohne irgendwelche Lösungsansätze punkten kann. Aber das ist einfach die Reaktion der Bevölkerung dort, die bei dieser „Ghettobildung“, kann man fast sagen, am eigenen Leib erlebt was passiert, wenn Integration einfach nicht funktioniert.
derStandard.at: Wie würden Sie mit solchen Problemen umgehen?
Marek: Da ist wieder diese Balance von Fordern und Fördern gefragt, jeder muss seinen Teil beitragen. Wenn etwa Sprachkurse zu einem vernünftigen Preis zur Verfügung stehen, ist es überhaupt keine Diskussion, dass sie verpflichtend absolviert werden müssen.
derStandard.at: Kritik gab es an der Forderung, dass Einwanderer schon im Heimatland Sprachkenntnisse erwerben müssen. Wie soll jemand in einem kleinen Bergdorf, um dieses Klischee zu verwenden, zu einem Sprachkurs kommen?
Marek: Wenn jemand nach Österreich einwandern will, hat er ja Kontakte mit Botschaft und Behörden. Es geht darum, dass man sich die Infos holt und dann ein bestehendes Netzwerk nutzt, beispielsweise mit den Goethe-Instituten und den Österreich-Instituten. Die Deutschen machen etwa auch Fernkurse, natürlich war das am Anfang umstritten, aber im Endeffekt sind sie sehr gut damit gefahren.
Es ist für die Migrant/innen selber eine echte Hilfe, wenn sie die Grundkenntnisse der deutschen Sprache beherrschen, denn die Sprache ist der Schlüssel zur Integration und es geht hier wirklich nur um ein gewisses Grundniveau - es muss ja keiner drei Jahre intensiv Deutsch lernen.
derStandard.at: Wer zahlt die Kurse?
Marek: Die sind natürlich öffentlich gefördert. Das muss nicht gratis sein, aber zu einem vernünftigen, leistbaren Preis angeboten werden. Aber dass das prinzipiell etwas kosten darf, sagen sogar Migrant/innenorganisationen. Wir reden hier ja nicht von den Ärmsten der Armen – wenn es etwa um Familiennachzug geht, muss der Immigrant ja auch nachweisen, dass er die Familienmitglieder finanziell erhalten kann.
Und das sind nicht die Bergbauern oder Dorfbewohner, die keinerlei Qualifikation haben, das sind zumindest Facharbeitskräfte die nach Österreich einwandern. Ich hielte es für verantwortungslos, wenn wir Menschen nach Österreich holen, denen wir keinerlei berufliche Perspektive bieten können. Welchen Sinn hätte es, völlig unqualifizierte Leute ohne Chance auf Arbeit aus ihrem Heimatland zu holen?
derStandard.at: Was den Schulbereich angeht, sind Sie von der Idee einer 30-prozentigen Ausländerquote in Klassen abgegangen. Warum?
Marek: Ja, das stimmt. Ich habe diese Idee ursprünglich auch sehr spannend gefunden, aber in der Befassung damit hat sich gezeigt: Es bewährt sich einfach nicht, dass man Volksschulkinder mit dem Bus quer durch die Stadt karrt. Womit man eingreifen kann, das ist eine Begrenzung der Klassenschülerhöchstzahlen, damit man sich um Kinder mit schlechten Deutschkenntnissen besser kümmern kann. Die Unterrichtsministerin hat gestern auch alle Punkte zur Bildung in dem Papier explizit begrüßt, das ist erfreulich.
derStandard.at: Gibt es sonst noch Punkte, von denen man im Laufe der Diskussion abgekommen ist? Vorgehensweisen, die evaluiert werden müssen?
Marek: Eine Evaluierung ist immer gut, wenn man eine neue Maßnahme eine Zeit lang angewendet hat. Aber bei unserer Arbeit haben wir außer den Quoten in Schulklassen eigentlich nichts gefunden, wo wir uns am Anfang getäuscht hätten.
derStandard.at: Gerade Sie betonen immer wieder, dass Integration nicht nur aus dem Sicherheitsaspekt besteht, sondern aus Arbeitsmarkt, Bildung, Wohnen und so weiter. Wäre ein Staatssekretariat da nicht besser als eine im Innenministerium angesiedelte Stelle?
Marek: Ich muss ehrlich sagen: Ein Staatssekretariat, weg vom Innenministerium, ist für die nächste Legislaturperiode sicher zu überlegen. Aber ich denke das es zum jetzigen Zeitpunkt mit dem Bestehen des Integrationsfonds, in dem extrem viel Expertenwissen und Know how steckt, Sinn macht, das jetzt einmal dort zu etablieren. Das ist einfach auch ein pragmatischer Zugang. Jedes Ministerium und jede Gebietskörperschaft hat eine Ansprechstelle für Integrationsagenden zu nennen, womit die laufende Vernetzung sichergestellt ist.