Wien - Bundeskanzler Alfred Gusenbauer und der geschäftsführende SPÖ-Chef Werner Faymann haben den Schwenk der SPÖ in Sachen EU-Vertrag bestätigt. Wie die beiden SPÖ-Politiker sagten, tritt die SPÖ für eine Volksabstimmung über alle künftigen Vertragsrevisionen ein. Als Begründung nannte Gusenbauer, dass die Zustimmung der österreichischen Bevölkerung zur EU im aktuellen Euro-Barometer nur noch 28 Prozent betrage und damit an letzter Stelle liege: "Europa ist einfach zu wichtig, um angesichts eines solchen Stimmungsbildes zur Tagesordnung überzugehen".

Vertrag von Lissabon nicht betroffen

Künftig brauche es einen Politikwechsel hin zu einer europäischen Sozialunion und einen offenen Dialog mit der Bevölkerung über die EU, betonte Gusenbauer. Damit die Bevölkerung merke, dass dies auch Ernst gemeint sei, verlange die SPÖ, dass künftige Vertragsänderungen auch einer Volksabstimmung unterzogen werden sollen", sagte der Kanzler. Der Vertrag von Lissabon, der bereits vom Parlament in Österreich ratifiziert und vom Bundespräsidenten unterzeichnet wurde, ist davon allerdings nicht betroffen, sollte er europaweit doch noch in Kraft treten, betonte Gusenbauer.

Dass die ÖVP die Neupositionierung der SPÖ in Sachen EU zum Absprung aus der Koalition nützen könnte, glaubt Gusenbauer nicht: "Ich glaube, das wäre völlig unverständlich". Faymann sagte zur Neuwahldebatte, dass er das Wort Neuwahl vom Koalitionspartner "in den letzten Tagen erfreulicherweise nicht gehört" habe, obwohl die SPÖ in Sachen Pensionsautomatik standhaft geblieben sei.

Absage an Arroganz

"Wir wollen der Arroganz eine Absage erteilen", argumentiert SPÖ-Chef Werner Faymann im Gespräch mit dem Standard. Man könne das Volk nicht nur mit Inseratenkampagnen abspeisen: "Diese Art der Information hat nichts gebracht. Es wurde zu sehr der Eindruck erweckt, dass alles bestens ist. Politiker können sich nicht aller Sorgen entledigen, indem sie das Volk nie fragen." Ob die SPÖ auch eine Volksabstimmung verlangen werde, wenn der von Österreich bereits ratifizierte Vertrag von Lissabon abgeändert werde, wollte Faymann aber nicht eindeutig beantworten.

Im Standard-Gespräch erklärt Gusenbauer sein Vorgehen so: "Dies ist kein Kniefall vor der Kronen Zeitung sondern eine Reaktion auf die nur 28 prozentige Zustimmung der Bevölkerung zur EU, wozu die Krone möglicherweise beigetragen hat."

In der ÖVP gibt man sich zum roten Kurswechsel offiziell gelassen. Vizeklubobmann Günter Stummvoll: "Mein Eindruck ist, dass die SPÖ damit ihre Führungskrise durch Neuwahlen lösen will. Sie will Gusenbauer offensichtlich so loswerden." Ob seine Partei nun die Koalition platzen lässt? Stummvoll: "Wir lassen uns sicher nicht provozieren. Aber soll sie halt platzen - nur das soll die SPÖ sagen, wir tun das nicht." Ein anderer ÖVP-Mann dagegen meint: "Das kommt einen totalen Schwenk in der Europapolitik gleich. Meiner Empfindung nach ist ein Bruch mit der SPÖ nun jederzeit möglich." (DER STANDARD, Printausgabe, 27.6.2008/APA)