Er verlor und floh nach Harare, wo er sich versteckt hält. Marc Engelhardt hat mit ihm gesprochen.

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Standard:Warum sind Sie auf der Flucht?

Gweshe:Unmittelbar nach der Wahl ist eine Gruppe von Mugabes Milizen durch die Stadt gezogen. Ein Freund hatte mich gewarnt, deshalb konnten meine Familie und ich uns gerade noch rechtzeitig im Schutz der Dunkelheit verstecken. Die Milizen haben mein Haus und das Getreidelager mit Brandbomben beworfen, sie haben das Feld in Brand gesteckt und mein Vieh gestohlen. Ich habe alles verloren. Meinen Vater, er ist 78, haben sie später bewusstlos geschlagen. Er ist trotzdem geblieben, er ist einfach zu alt, um anderswo hinzugehen. Aber ich kann nicht zurück. Ich bin der MDC-Kreisvorsitzende, und sie haben seit der Wahl schon viele umgebracht, die unwichtiger waren als ich. Mein Vater und meine Verwandten leiden wegen mir, sie müssen sich täglich bei der Polizei melden und dort erklären, dass sie nichts mehr mit mir zu tun haben wollen.

Standard:Wie ist die Situation in Mutoko heute?

Gweshe:Es ist schlimm. Von den zehn Gemeinden in meinem Wahlkreis hatten wir zwei gewonnen, und die Gewinner haben sich Mugabes Parteisoldaten als erste gegriffen. Erst haben sie sie verprügelt und gefoltert, aber dann haben sie angefangen, Leute zu töten. Ich habe drei meiner Parteigenossen begraben, und ich habe Beweise, dass Mugabes Leute sie umgebracht haben. Sie haben es schnell getan. Bevor die ersten Wahlbeobachter ankamen, haben sie die Folterlager abgebaut, sie waren schon fertig.

Standard:Wie überleben die Menschen im Alltag?

Gweshe:So, wie es jetzt ist, muss es unter Mobutu (Staatschef des früheren Zaire von 1965–1997, Anm.) oder anderen Diktatoren gewesen sein. Die Leute haben nichts zu essen, es gibt keine Ärzte, keine Medikamente, und es fahren keine Busse mehr, sodass niemand fliehen kann. Dazu kommt die andauernde Gewalt. An den Straßenrändern liegen Leichen oder Leute, die bis zur Bewusstlosigkeit geschlagen wurden.

Standard:Warum haben die Leute denn überhaupt für Mugabe und seine Zanu-PF-Partei gestimmt?

Gweshe:Man hat sie eingeschüchtert. Ich habe überall in meinem Kreis Wahlkampf gemacht, und die Leute waren überzeugt und wollten mich wählen. Aber dann kamen die Zanu-PF-Funktionäre und haben ihnen gedroht: Wenn ihr für die Opposition stimmt, kommen die Weißen zurück und nehmen unser Land. Außerdem haben sie gesagt: Dieses Land wurde mit Waffen erobert. Wenn ihr gegen uns stimmt, dann richten wir diese Waffen auf euch.

Standard:Das heißt, eine Stichwahl wäre sinnlos gewesen?

Gweshe:Ich weiß nicht. Die Leute sind ängstlich, aber auch wütend, so wütend wie noch nie. Kurz vor der Unabhängigkeit 1980 haben sie für Mugabe und Zanu-PF gestimmt, um den rassistischen Diktator Ian Smith loszuwerden. Aber jetzt sagen fast alle, dass die Lage viel schlimmer ist als sie unter Smith je war. Eine faire Wahl wäre schlicht unmöglich gewesen. Ich bin der prominenteste Politiker in meinem Wahlkreis, aber ich konnte nicht einen Tag Wahlkampf für Morgan Tsvangirai machen. Sie hätten mich ermordet.

Standard:Oppositionelle hatten es immer schwer in Simbabwe. Warum sind Sie überhaupt angetreten?

Gweshe: Ich bin eigentlich Menschenrechtler, mit Politik hatte ich früher nie was am Hut. Aber diesmal wollte ich mich zur Wehr setzen gegen die Unterdrückung, die in Simbabwe bis in die Gemeinden reicht. Ich habe meine Rechte eingefordert, und dafür habe ich alles geopfert. Wenn es die Freiheit brächte, wäre ich immer noch bereit zu sterben. (DER STANDARD, Printausgabe, 27.6.2008)