Lässt sich zuweilen "übelst beschimpfen": Knoflacher

Wien - Wie die Fanzone beweist, bricht der Verkehr in Wien auch ohne durchgehende Autopsur am Ring nicht zusammen - trotz Tausender zusätzlicher Gäste blieb das Chaos aus. Verkehrsexperte Hermann Knoflacher von der Technischen Universität Wien nahm das zum Anlass, um sich für "mehr Mut" in der Wiener Verkehrspolitik auszusprechen: Teile des Rings könnten gänzlich gesperrt werden, meinte er am Freitag.

"Bin übelst beschimpft worden"

"Es wird Zeit, dass man den ersten Bezirk verkehrsmäßig aufwertet ", schlägt Knoflacher vor. "Der Ring ist eine Lieferstraße, mehr nicht." Er verweist auf das Beispiel Kärntner Straße, deren "Befahrbarkeit "seinerzeit mit Zähnen und Klauen verteidigt worden sei: "Wir haben damals 80.000 Autos am Stock-Im-Eisen-Platz gehabt." 1968 habe man eine Untersuchung durchgeführt, wonach man aus der Kärntner Straße problemlos eine Fußgängerzone machen könnte, was wütende Proteste zur Folge hatte: "Es gab furchtbare Sitzungen im Alten Rathaus, da bin ich übelst beschimpft worden. Die Geschäftsleute haben mich als Killer der Innenstadt bezeichnet."

Bis die Idee in die Tat umgesetzt wurde, habe es eine Art Anlassfall gebraucht. Denn gesperrt werden musste die damalige Verkehrsader letztlich mit dem Bau der U-Bahn auf dem Stephansplatz, schilderte Knoflacher. Dabei blieb es dann auch, und die Kärntner Straße ist heute eine der prominentesten Flaniermeilen Mitteleuropas.

Für die Wiener "wurscht"

Der Anlassfall EM hat für Knoflacher eines bewiesen: "Viele haben wahrscheinlich die Chance entdeckt, auf die Öffis umzusteigen und das selbst unter diesen harten Bedingungen gemacht." Sein Fazit der Fanzonenbedingten Ringsperre: "Für die Wiener war es an und für sich wurscht. Außerdem geht die U2 jetzt durch, insofern ist das gar nicht aufgefallen."

Generell sei es auch denkbar, den Individualverkehr gänzlich aus der City zu verbannen, glaubt Knoflacher: "Nicht nur Kärntner Straße, Graben, Kohlmarkt, sondern Schritt für Schritt die ganze Innenstadt." Schließlich habe man bereits vor Jahren den richtigen Weg eingeschlagen, Großparkplätze in der Innenstadt abzuschaffen, was zumindest in einem Fall auch relevant für ein österreichisches Kulturerbe war: "Stellen sie sich vor, der Josefsplatz wäre beim Brand der Hofburg nicht frei gewesen, gäbe es sie heute nicht mehr."

Bei den Wiener Grünen sieht man sich bestätigt. Als Nahforderung plädiere man nun zunächst für die Reduktion der Fahrbahnen auf ein oder zwei Streifen. Zugleich solle der derzeit desaströse Radweg auf der freigewordene Fahrspur angelegt werden, fordert Verkehrssprecher Rüdiger Maresch im APA-Gespräch.

"Ich kann mir nicht vorstellen, dass man den Ring dauerhaft sperrt", betonte hingegen Verkehrsstadtrat Rudolf Schicker am Freitag. Der Ring sei ein Straßenabschnitt, der mit Sicherheit benötigt würde. Allerdings werde man bis Ende des Jahres nach neuen Varianten für den Ringradweg suchen, um zu einer "deutlichen Verbesserung zu kommen".

Ring in zwei Richtungen

Einen anderen Vorschlag als die Vollsperre macht dagegen die Radlobby Argus, da man eine ausgestorbene Ringstraße bei einer Totalsperre befürchtet. "Eine bessere Lösung wäre, den Ring wieder in zwei Richtungen für den Verkehr zu öffnen und als Tempo-30-Zone einzurichten", so Sprecher Hans Doppler. Die Radfahrer sollten dann mit dem Fließverkehr auf der Straße fahren. Sollte dieses Optimum nicht zu erreichen sein, "präferieren wir natürlich zumindest die teilweise Sperre."

Autoclubs dagegen

Der ÖAMTC hat am Freitag seine Ablehnung einer dauernden Ringsperre wiederholt: Wiens Verkehrsablauf laufe derzeit "auf Sparflamme", betonte Club-Experte Martin Hoffer. Viele Leute hätten sich während der EURO Urlaub genommen, andere würden wiederum einfach die Innenstadt meiden und ihre Geschäftstermine verschieben. "Die Ring-Umleitung funktioniert gerade noch, jede weitere Belastung würde zu einem Zusammenbruch der Leistungsfähigkeit führen", so Hoffer.

Auch der ARBÖ hat sich am Freitag dagegen ausgesprochen: "Wir haben keine enge, stickige Innenstadt. Wien ist nicht so gebaut", meinte der Geschäftsführer des ARBÖ-Wien, Herbert Hübner. (APA)