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Bedrucktes Papier: 500 Millionen Simbabwe-Dollar auf einem Geldschein. Der Wert eines US-Dollars.

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Wahl ohne Auswahl: Menschenschlange vor einem Wahllokal in Simbabwe. Die politische Misere ist allerdings nur die Spizte des Eisberges in dem krisengebeutelten Land.

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Grace spart auf ihr eigenes Haus. Derzeit wohnt die knapp 60-jährige gemeinsam mit ihrem Mann und ihren zehn Kindern in einem Drei-Zimmer-Haus zur Miete. Die Zimmer sind knapp zwölf Quadratmeter groß, an den Wänden stehen einige Regale. Wenn es Zeit zum Schlafen ist, werden die wenigen Möbelstücke an die Wand geräumt, die Sessel aufeinandergestapelt und Matten am Fußboden ausgerollt. Grace wohnt im Südosten Simbabwes, nahe an der Grenze zu Mosambique in dem knapp mehr als 10.000 Einwohner zählenden Städtchen Chipinge.

Einige von Graces Kindern sind noch schulpflichtig, andere schon erwachsen. Ausziehen tut trotzdem keiner der Älteren, denn keiner findet Arbeit, um sich ein eigenes Häuschen oder eine Wohnung leisten zu können. Nur rund ein Fünftel der über zwölf Millionen Einwohner hat einen Arbeitsplatz. Der Rest schlägt sich irgendwie durch.

Von der Kornkammer zum Armenhaus

Der Sieger der Präsidentschaftswahlen vom Freitag ist bereits bekannt: Robert Mugabe, der seit 1980 das Land als Diktator beherrscht, wird weiter im Amt bleiben. Der Kandidat der Opposition Morgan Tsvangirai hat das Handtuch geworfen. Zu lange mussten er und seine Anhänger in Angst vor politischer Verfolgung leben.

In dem Land, das einst als Kornkammer Afrikas bekannt war, haben mehr als vier Millionen nicht genug zu essen. Die Landwirtschaft produziert nicht mehr genug, um die eigene Bevölkerung ernähren zu können. Über die Hälfte der Einwohner ist auf Nahrungsmittelhilfen angewiesen. Einer der Gründe liegt auch in der überhasteten und missglückten Landreform aus dem Jahr 2000. Mugabe wollte damit innenpolitisch wieder Ruhe herstellen. "Massive Sparprogramme in den 1990er Jahren hatten die soziale Krise verschärft und die Arbeitslosigkeit steigen lassen", erklärt Walter Sauer, wissenschaftlicher Leiter des Dokumentations- und Kooperationszentrums Südliches Afrika (SADOCC).

Eine schnelle Landreform sollte den sozialen Frieden wieder herstellen, indem die Arbeitslosen am Land als Bauer Beschäftigung finden sollten. Diese überhastete Reform war allerdings ein Fehlschlag: Weiße Farmer wurden von ihrem Land vertrieben und die ertragreichen Farmen gingen an Mugabes Leute. Die übrigen mussten sich mit kargem Boden zufrieden geben.

"Das konnte nicht funktionieren", sagt Sauer: "Die Leute, die Land bekamen, waren einfach keine Bauern. Sie hätten Schulungen gebraucht, Kleinkredite und vieles mehr." Das wäre auch geplant gewesen, allerdings sei kaum etwas davon umgesetzt worden. Ein großer Teil der damals enteigneten Farmen produziert nicht mehr. Die landwirtschaftliche Produltion brach ein. Das ist einer der Gründe warum die Bevölkerung zum Teil Hunger leidet. "Eine Landreform ist eben nicht nur ein politisches Problem. Man muss auch dafür sorgen, dass sie funktioniert", erklärt Sauer.

"Operation Müllentsorgung"

Mit einer Zwangsvertreibung von mehr als 700.000 Menschen im Jahr 2005 verschlechterte sich die Situation im Land weiter. Bei der Operation "Murambatsvina" - die wörtliche Übersetzung lautet "Operation Müllentsorgung" - wurden ohne Baugenehmigung errichtete Hauser in Elendsvierteln geräumt und abgerissen. Die Bewohner waren meist arbeitslose Landarbeiter, die nach der Landreform als Bauern nicht Fuß fassen konnten.

Die Regierung sprach offiziell von einem Programm zur "Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung": Illegaler Wohnungsbau und die Verbreitung von Infektionskrankeiten in den betroffenen Gebieten sollten gestoppt werden. Der wahre Hintergedanke: Die Arbeitslosen, standen zum überwiegenden Teil der Opposition nahe und waren für das Regime ein Sicherheitsrisiko. Sie wurden aus den Elendsvierteln der Großstädte vertrieben und sollten in ihre Heimatdörfer zurückkehren.

Diese Rückkehr bezweifelt Sauer allerdings: "Viele der Betroffenen waren sicherlich Teil der großen Flüchtlingswelle. Viele sind nach Südafrika geflohen. Einige auch nach Großbritannien."

"Stück für Stück" ein Eigenheim

Grace hat rund um das Häuschen einen kleinen Garten, mit dem sie größtenteils die Familie versorgt. Ihr Mann hat in der Zeit von Ian Smith, der Premierminister Simbabwes war, als das Land noch Südrhodesien hieß, neun Jahre als politischer Häftling in Einzelhaft verbracht. Später hat er als Richter gearbeitet. Jetzt ist er schwer krank. Die medizinische Versorgung in Simbabwe ist miserabel. Wer genug Geld hat, kann sich eine Behandlung in einer der wenigen privaten Kliniken erkaufen. Die staatlichen Krankenhäuser verwalten die Kranken nur mehr.

Durch die Hyperinflation können die Geldscheine gar nicht so schnell nachgedruckt werden, wie sie an Wert verlieren. Die Menschen versuchen mit ihrem Geld irgendwas zu kaufen - egal was - um es dann gegen etwas anderes tauschen zu können. Denn das Geld das sie heute haben, könnte schon morgen nichts mehr wert sein.

Aber nicht die wirtschaftliche Misere allein lähmt das Land. Die Menschenrechtssituation in Simbabwe verschlechtert sich zusehends. Amnesty International prangert immer wieder die Folter, organisierte Gewalt und die Einschränkungen der Meinungs-, Presse und Versammlungsfreiheit an.

Grace hat sich schon ein Stück Land für ihr Haus gesichert. Sie bekommt finanzielle Unterstützung von Bekannten aus Europa. So kann sie das Schulgeld für die Kinder und die Medikamente für ihren Ehemann bezahlen. Mit dem was übrig bleibt will sie jetzt "Stück für Stück" an ihrem Eigenheim bauen, als eine von wenigen. (mka, derStandard.at, 27.6.2008)