Die Glaubwürdigkeit und Handschlagqualität Österreichs wird hinterfragt.

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Noch in der vergangenen Woche hätten die Staats- und Regierungschefs der EU am Gipfel das irische Votum ausführlich diskutiert.

Die Tatsache, dass einViertel derjenigen, die denVertrag von Lissabon ablehnten, damit den Rücktritt der irischen Regierung erreichen wollten, wurde als weiterer Beweis gewürdigt, dass sich das komplexe Thema nicht für eine Volksabstimmung eigne. Eine Ansicht, der auch Bundeskanzler Alfred Gusenbauer zumindest nicht hörbar widersprochen hätte, erzählt ein hoher Diplomat in Brüssel. "Und jetzt ist alles anders. Schon wieder eine Wende. Wenn das Regierungslinie wird, hat das die Qualität von Schwarz-Blau."

Die Reaktionen in Brüssel auf die "Wende" der SPÖ in der Europapolitik waren am Freitag relativ verhalten – vor allem, weil viele Beobachter auf eine Falschmeldung tippten.

Der Chef der sozialdemokratischen Fraktion im EU-Parlament, Martin Schulz, gab sich äußerst zurückhaltend: "Österreich hat den Reformvertrag bereits ratifiziert. Und das gilt. Sollte der Vertrag aus irgendeinem Grund nicht in Kraft treten oder eine maßgebliche Änderung benötigen, ist der Brief Gusenbauers ein Vorschlag von vielen." Der SPD-Europaabgeordnete und Chef des Verfassungsausschusses, Jo Leinen, nannte den Beschluss der SPÖ-Spitze "populistischen Aktionismus" , der keine Probleme löse.

Wenig Begeisterung zeigten die SPÖ-EU-Abgeordneten vom Kurswechsel. Delegationschefin Christa Prets zeigte sich "überrascht" . Akzeptieren könne sie die Verpflichtung zu einer Volksabstimmung für künftige Verträge, falls auch die Informationspolitik verbessert würde, aber sicher nicht für Änderungen am Reformvertrag. "Da herrscht ja nur Angst und Panikmache statt Information." Auch die Bekanntmachung über die Krone sei nicht akzeptabel.

Ähnlich argumentiert ihr Kollege Harald Ettl: "Das ist absolut nicht nach meinem Geschmack. Das entspricht nicht dem Geist der Europapolitik der Regierungsparteien." Der CDU-Abgeordnete Elmar Brok sagte: "Ich finde es erstaunlich, dass ein Bundeskanzler in einer solchen Frage ein Commitment an eine Zeitung macht. Das ist ein innenpolitisches Manöver, wo Europa als Schachbrett herhalten muss für einen geschwächten Bundeskanzler." (Michael Moravec aus Brüssel/DER STANDARD, Printausgabe, 28.6.2008)