Alfred Gusenbauer hat tatsächlich nach einem Stern gegriffen - nach dem Stern des Boulevards, nach Hans Dichand. Der soll ihm die Kanzlerschaft retten. Indem Gusenbauer und dessen Nachfolger Werner Faymann mit dem Krone-Herausgeber ihre politische Zukunft verknüpfen, revidieren sie jedoch nicht nur die EU-Politik der SPÖ, sondern ändern auch die linken Horizonte. Das zu tun wäre Sache eines Parteitags. Faymann und Gusenbauer haben es nicht nur unterlassen, die Parteigremien in einer so zentralen Frage zu informieren und zu befragen. Sie stellen die Partei vor vollendete Tatsachen. Und sie verpassen der SPÖ einen neuen Über-Obmann. Einen austriakischen Berlusconi sozusagen.

Was hier am 26. und 27. Juni 2008 passierte, ist der Beginn einer Selbstausschaltung der Sozialdemokratie. Der Krone-Herausgeber wird es sich nicht nehmen lassen, wöchentlich entweder im eigenen Blatt oder/und im Kaffeehaus-Tratsch mit der Heute-Illustrierten der SPÖ die Linie vorzugeben. Faymann kann dann in gelegentlichen Gastkommentaren den Parteimitgliedern und potenziellen Wählern Näheres erklären, und einen religiös-moralischen Touch bekommt das Ganze, weil es der Kardinal mit seiner Kolumne adelt.

Sollten Faymann und Heinz-Christian Strache nach den unvermeidlichen Herbstwahlen eine rot-blaue Koalition errichten, würde Hans Dichand natürlich an der Regierungsbildung teilnehmen. Zumindest in dem Sinne, dass sich der neue Kanzler überlegt, wen er dem "Onkel Hans" zumuten kann. Gusenbauer bekäme als Trostpflaster das Außenamt. Das Finanzministerium würde Faymann mit einem Vertrauten besetzen. Abgestimmt in der Muthgasse.

Warum schaltet sich die Sozialdemokratie in diesem Falle aus, fragte mich ein SP-Mann, als ich meinen Kolumnen-Titel nannte. 1. Wir leben halt in einer Mediendemokratie. 2. Ist es falsch, sich im Volk Mehrheiten zu suchen? 3. Ein SPÖ/FPÖ-Bündnis ist immer besser als der Bürgerblock aus ÖVP und FPÖ. Meine Antwort: 1. Ja, aber die Übergänge zu Mediendiktaturen sind bereits fließend. Zu 2. Das ist dann falsch, wenn eine Massenzeitung mit enormer Stärke bestimmt, was "das Volk" ist. Und zu 3. VP/FP war kein Bürgerblock. Die Haider-Wähler waren mehrheitlich Arbeiter.

Wir würden es ja erleben, wohin diese Entwicklung führte. Unweigerlich geriete der ORF in immer schneller fließendes rotes Fahrwasser. Und unter Garantie würde es zu Versuchen kommen, einen der ORF-Kanäle zu privatisieren. Sprich: Unter das Diktat der Krone und einiger Alliierter zu stellen. Die ÖVP würde dem vorläufig nichts entgegensetzen können. Sie müsste umdenken. Richtung: Scharfe Kartellbestimmungen, neues Gesetz für den ORF, Regeln für Privat-TV.

Mehr Demokratie in der EU kann man nur forcieren, wenn man der Demokratie im eigenen Land nicht schadet. Genau das aber tut die SPÖ-Führung. In der Gesinnung, wie es mir Michael Häupl einmal gesagt hat: "Für mich sind Krone und News wichtig. Euch, den Standard und die Presse, brauch ich nicht. Ihr seid nur wichtig für demokratische Hygiene." (DER STANDARD Printausgabe, 30.6.2008)