Gerhard Budin, Universität Wien.

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Standard: Sie haben bei einer Podiumsdiskussion kritisiert, dass Studierende oft glauben, in Mindestzeit studieren zu müssen, um einen adäquaten Job zu finden. Sie meinten, dass die "persönliche Entwicklung" und "metafachliche Kompetenzen" darüber verlorengingen. Was raten Sie den Studierenden? Budin: Der Idealfall ist, wenn man das miteinander vereinbaren kann: Neben einem Bachelor in sechs Semestern sollte das Angebot der "breiten Bildung" an der Uni wahrgenommen werden. Bei den neuen, durchorganisierten Curricula ist das natürlich nicht mehr so leicht. Wir müssen verhindern, dass das universitäre Studium ein FH-ähnliches Studium wird. Unser Ehrgeiz und Anspruch muss sein, eine berufsorientierte Ausbildung mit gesellschaftlich orientierter Bildung zu verknüpfen. Standard: Was meinen Sie im Konkreten? Budin: Die Studenten müssen Urteilsfähigkeit und kritische Sicht entwickeln, müssen sich auch selbst erkennen. Durch die Umstellung auf die Bologna-Studienarchitektur, kombiniert mit stark steigenden Studierendenzahlen bei gleichbleibenden Budgets für die Lehre, wurde es aber immer schwerer, in Eigenregie interdisziplinär zu studieren. Dafür gibt es jetzt das Konzept sogenannter Erweiterungscurricula, um zusätzliche Kompetenzen und Qualifikationen zu erwerben bzw. um den eigenen Wissensdurst doch weiterhin disziplinenübergreifend stillen zu können. Standard: Die Studienwahl wird zu einer immer größeren Herausforderung, Fehlentscheidungen kosten heute viel Zeit und Geld. Wie sollten die Informationswege aussehen? Budin: Sinnvoll ist die Kooperation zwischen Schulen und Hochschulen, z. B. bei Berufs- und Studienmessen. Im direkten Kontakt können wir den Leuten genau darlegen, was sie erwartet und worauf sie sich einstellen müssen. Es gibt so viele Illusionen, gerade in Zusammenhang mit ohnehin schon überlaufenen Fächern. Auch das Übersetzer- und Dolmetscherstudium war lange Zeit ein Modestudium. Gegensteuern können wir nur mit gezielter Information; bei der BeSt-Messe etwa hatten wir heuer erstmals einen eigenen Stand, was sich sehr bewährt hat. Standard: Welche Weiterbildungsmaßnahmen erachten Sie über alle Disziplinen hinweg als notwendig? Budin: Fremdsprachenkenntnisse z. B. - in erster Linie natürlich Englisch, und auch eine zweite Fremdsprache wäre für alle Disziplinen nötig. Aber auch die Frage der Ethik ist für viele Studien relevant, nicht bloß im Bereich der Gentechnik. Standard: Techniker sind auf dem Arbeitsmarkt gefragt; Publizisten haben es schwerer, sind aber in vielen Bereichen einsetzbar - Mediziner und Juristen, die keine Praktikumsstelle finden, haben weitaus größere Probleme. Von "Orchideenfächern" wie Numismatik wird oft abgeraten. Inwiefern ist man der Gesellschaft verpflichtet, möglichst rasch im Markt unterzukommen? Budin: Das ist eine gesellschaftspolitische Frage, zu der es sehr unterschiedliche Meinungen gibt. Natürlich soll die Uni anstreben, mündige Bürger - im Kant'schen Sinne - zu entlassen, die Verantwortung für die Gesellschaft tragen. Natürlich kostet so ein Studium auch viel Geld. Nur, der gesellschaftliche Nutzen ist oft nicht so leicht zu bewerten. Je nach Fach gibt es gerade oder verschlungenere Karrierewege. Wenn man die Biografien von erfolgreichen Menschen anschaut, wundert man sich oft, was die alles studiert haben. Da finden sich Historiker, Germanisten, Ägyptologen. Wichtig ist einfach, dass die Unis nicht bloß Fachidioten produzieren. (Bernhard Madlener/DER STANDARD, Printausgabe, 28./29. Juni 2008)