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Die Inflation erreichte in der Eurozone mit rund vier Prozent im Juni 2008 den höchsten Stand seit 1997. Die Eurobanker sind in einer Zwickmühle: Eine Zinserhöhung würde die Konjunktur belasten.

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Brüssel/Wien – Die Rekord-Jahresinflation von vier Prozent für den Juni – der höchste Stand seit Beginn der Aufzeichnungen über diesen Wirtschaftsraum im Jahr 1997 – könnte die Europäische Zentralbank (EZB) in ihrer nächsten Ratssitzung am kommenden Donnerstag zu einer deutlicheren Zinserhöhung verleiten als bisher angenommen, meint man in EU-Kommissionskreisen. Statt der in Aussicht gestellten 0,25 Prozentpunkte könnten es nun gleich 0,5 werden.

"Es ist wichtig, dass diese Inflationserwartung nicht Wurzeln schlägt und dass um jeden Preis eine Lohn-Preis-Spirale vermieden wird, die sehr schädliche Folgen für unsere Wirtschaften und die Bürger im Allgemeinen hätte" , sagte eine Sprecherin von EU-Wirtschaftskommissar Joaquín Almunia am Montag.

"Die derzeitigen Inflationsniveaus sind ungemütlich hoch für die Eurozone, ebenso für den Rest von Europa und den Rest der Welt." Die EU-Kommission verfüge zwar noch nicht über die genauen Faktoren für den Preisanstieg im Juni, aber Öl und Lebensmittel dürften wie bereits im Mai auch jetzt wieder die Preistreiber gewesen sein. Im Mai lag die Inflation in der Eurozone bei 3,7 Prozent.

Doch die Zinserhöhung könnte bereits zu spät kommen, meinen einige Experten. Der deutsche Finanzminister Peer Steinbrück hat bereits vor einigen Tagen vor negativen Auswirkungen der Leitzinserhöhung auf die Wirtschaftsentwicklung gewarnt. "Die EZB muss bedenken, dass sie mit einer Zinserhöhung ein falsches Signal setzen könnte, weil diese im Abflauen der Konjunktur prozyklisch wirken könnte" , sagte der SPD-Politiker dem Magazin Spiegel.

Wirtschaftsminister Michael Glos konterte, von Zinsempfehlungen der Politik halte er nichts. Angesichts des massiven Ölpreisanstiegs komme es vor allem darauf an, diesen von außen vorgegebenen Preisschub nicht in einen allgemeinen Inflationsprozess münden zu lassen. "Wer aber glaubt, Inflationsrisiken ignorieren zu können und damit etwas Gutes für die Konjunktur zu tun, hat die schmerzhafte Lektion der ersten Ölpreiskrise der 1970er-Jahre nicht gelernt" , sagte der CSU-Politiker.

Eine kleine Zinserhöhung auf 4,25 Prozent würge nach Einschätzung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) die Konjunktur nicht ab. "Das ist ein Signal der Zentralbank, dass sie die Inflation im Auge behalten wird" , sagte DIW-Chef Klaus Zimmermann am Montag der Nachrichtenagentur Reuters.

"Eindeutige Gefahr"

Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) – die Bank der Notenbanken – hält wegen der Teuerung weltweit höhere Leitzinsen für notwendig. "Angesichts der eindeutigen und aktuellen Inflationsgefahr und der in den meisten Ländern historisch gesehen sehr niedrigen realen Leitzinssätze scheint auf globaler Ebene eher eine Straffung der Geldpolitik angezeigt" , hieß es im Jahresbericht. Stichwort Ölpreis (auch dieser erreichte am Montag wieder einen Rekordstand, siehe Seite 24): Inflationstreiber Nummer eins bleiben weltweit die Mineralölprodukte, sagte Josef Baumgartner, Inflationsexperte im Wiener Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) dem STANDARD.

Auch in Österreich dürfte bereits im Juni die Inflation einen Rekordstand erreicht haben, also auch rund um die vier Prozent liegen. Dies sei allein aufgrund der Preissteigerungen bei den Treibstoffen zu erwarten. Die exakte Juni-Inflationsrate wird die Statistik Austria in zwei Wochen am 16. Juli veröffentlichen.

Baumgartner sieht derzeit hingegen beim zweiten wichtigen Inflationstreiber der vergangenen Monate, den Lebensmittelpreisen, "eine gewisse Entspannung" , wenngleich sie derzeit auf hohem Niveau verharren. Fraglich ist noch, wie sich der Markt der Saisonfrüchte entwickelt. Im Mai lag die Inflationsrate in Österreich mit 3,7 Prozent gleichauf mit jener der Gesamt-Eurozone. (Michael Moravec, Leo Szemeliker, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 1.7.2008)