Man schreibt das Kriegsjahr 1916. Zwischen diesen Gespenstern aus einer hässlichen, gehässigen Zeit steht bloßfüßig der Theatermann Paulus Manker. Er reckt den Bauch vor und dirigiert mit lauten Rufen das Dutzend Schauspieler durch Joshua Sobols Polydrama Alma – a Show Biz ans Ende. Es scheint, als ob die berühmte Alma Mahler-Werfel nie mehr zur Ruhe kommen darf; wieder muss sie Gustav Mahler in den Tod begleiten, Oskar Kokoschka in den Liebeswahnsinn treiben, Franz Werfel die amerikanische Emigration überstehen helfen. Manker, der von sich sagt, dass ihn das "Guckkastentheater" tödlich langweile, scheint sein ganzes beträchtliches Talent in den Dienst einer Sache gestellt zu haben, die niemals zu Ende gehen darf. Im Vorjahr gastierte Alma am Semmering, im Kurhaus am Wolfsbergkogel. Heuer wäre ein Gastspiel in Jerusalem geplant gewesen. Ging nicht, sagt Manker achselzuckend. Die politischen Verhältnisse waren zu gefährlich: "Nicht meinetwegen, wohlgemerkt. Mir persönlich ist die Gefahr wurscht!" Jetzt im Sommer sei es zu heiß, das Theaterpublikum könne nicht anreisen ("In Jerusalem selbst gibt es kein Theaterpublikum!" ). Vielleicht klappe es im Oktober.
Mit dem Stolz des Untermieters, der ein Schnäppchen gemacht hat, führt Manker durch die Säle voller Stuck und Wandreliefs. Auf das Telegrafenamt sei er durch Zufall gestoßen. Es befinde sich im Besitz eines ehemaligen kroatischen Vizeverteidigungsministers. Dieser leutselige Mensch habe sich auf Nachfrage als Alma-Mahler-Fan zu erkennen gegeben: "Der hätte sofort als Dramaturg bei uns einsteigen können!" , erzählt Manker. Der betuchte Herr fungiere jetzt eben als uneigennütziger Förderer der schönen Künste. Das Haus am Semmering befinde sich mittlerweile im Besitz eines Kasachen: "Es ist schwer, mit dem überhaupt in Kontakt zu treten!"
Vorbei an alten Spitalsbetten, Kandelabern und reich gedeckten Emigrationsschlemmertafeln führt Manker den Besucher. Wiederum können Gäste des Stationendramas ihre je eigene Perspektive wählen: Gustav Mahler dabei zusehen, wie der sich von Professor Freud die darniederliegende Libido aufrichten lässt. Zur Pause wird festlich getafelt. Besucher werden mit dem gastronomischen Angebot des Restaurants Hebenstreit bei Laune gehalten. 115 Euro muss der zahlende Gast berappen – kein Pappenstiel. Aber Manker bekommt auch keinen einzigen Subventions-Euro: "Es wäre ja schwer möglich gewesen, mitten im Kalenderjahr um Förderungsgelder einzukommen." Mit 600.000 Euro veranschlagt Manker die Kosten. "Mein Eigendeckungsgrad muss 100 Prozent ausmachen" ; immerhin bei Möbeln und Ausstattung erfahre man treusorgende Unterstützung durch das Burgtheater und andere Einrichtungen.
Alma darf auch nach zwölf Jahren noch nicht sterben. Warum macht sich der wahnwitzige Bühnenkünstler Manker auf dem Theater so rar? "Weil es langweilig ist" , wiederholt Manker. Er hat soeben eine pausierende Schauspielerin beauftragt, ihm aus dem nahen Supermarkt ein "Salzstangerl mit Extrawurst" mitzubringen. Ratlos staunt die bundesdeutsche Kollegin ihren Wiener Regisseur an. Die eben auslaufende Burgtheater-Ära habe ihn insgesamt enttäuscht. "Oder wann haben Sie zuletzt eine wirklich gute Aufführung in Wien gesehen?" Manker wartet die Antwort erst gar nicht ab. Er wird, so deutet er an, bei der nächsten Botho-Strauß-Uraufführung in der Inszenierung von Luc Bondy mitwirken. Besonders enthusiasmiert scheint ihn diese verlockende Aussicht nicht zu stimmen.