Eugen Weinberg ist Rohstoffexperte bei der Commerzbank in Frankfurt.

Foto: Commerzbank
derStandard.at: Warenterminbörsen sind nicht neu und verfolgen im ursprünglichen Sinn mit der Absicherung von Preisschwankungen durchaus positive Ziele. Inwiefern hat sich das geändert?

Weinberg: Nun sind Finanzinvestoren dazu übergegangen, Ölkontrakte zu kaufen, weil das Geld derzeit in Rohstoffmärkten gewinnbringend angelegt werden kann. Auch um der Schwäche an den Aktien- und Rentenmärkten zu entkommen.

derStandard.at: Sie sprechen von einer Blase. Wann sehen Sie sie platzen?

Weinberg: Ich denke, der Preis könnte in zwei, drei Monaten eine Spitze zwischen 150 und 170 US-Dollar je Barrel erreichen. Danach sollte eine scharfe Korrektur folgen.

derStandard.at: Warum so schnell und wie begründen Sie diese Einschätzung?

Weinberg: Die asiatischen Schwellenländer, die in den letzten Jahren für die rasante Nachfragesteigerung zuständig waren, haben ihre Preise für Ölprodukte zuletzt deutlich angehoben – zum Teil um bis zu zwanzig Prozent. Nicht nur Taiwan, Sri-Lanka oder Malaysia, sondern auch Indien und China haben die Benzin- und Dieselpreise stark erhöht. Das wird sich auch auf das Nachfragewachstum auswirken.

derStandard.at: Reagieren die Investoren bereits darauf?

Weinberg: Noch nicht. Die "Story China" läuft, solange die Nachfrage "läuft", d.h. solange die Daten noch keine signifikante Verlangsamung der Nachfrage zeigen, dürften die Preise weiter zulegen. Ich gehe jedoch davon aus, dass diese Verlangsamung schon in den nächsten Monaten zu erkennen ist.

derStandard.at: Darüber, dass der jüngste Preisschub bei Rohöl in Teilen spekulationsbedingt ist, scheint Einigkeit zu herrschen. Über das Ausmaß nicht. Die Schätzungen schwanken zwischen zehn und 30 Prozent. Wie hoch ist der Anteil Ihrer Ansicht nach wirklich?

Weinberg: Das ist äußerst schwer zu beziffern, da der Markt nicht sonderlich transparent ist. Meiner Meinung nach sind von den 140 US-Dollar, wo wir uns derzeit bewegen, immerhin rund 50 US-Dollar den Finanzinvestoren zuzuschreiben.

derStandard.at: Ist ein Spekulationsobjekt ausgereizt und der Markt zusammengebrochen, suchen Milliarden Dollar und Euro ein neues, hohe Profit versprechendes Objekt. Wohin wird die Karawane ziehen?

Weinberg: Investoren werden auch langfristig in diesen Markt investiert bleiben oder gar ihre Engagements ausweiten, denn die Fundamentaldaten wie die stark steigende Nachfrage in den Schwellenländern oder knappe Produktionskapazitäten machen ihn auch langfristig lukrativ. Aber deren Investmentvolumen wird nicht mit dem gleichen Tempo steigen wie jetzt. Außerdem werden sich Investoren auch im Rohstoffsektor neue Themen suchen. Zum Beispiel bei Agrarrohstoffen oder Fleisch sollte das Anlegerinteresse noch stark steigen.

derStandard.at: Das bedeutet natürlich steigende Preise im jeweiligen Bereich. Muss man sich Sorgen machen?

Weinberg: Als Investor nicht, aber als Konsument wird man die Preissteigerungen schon merken. Insbesondere bei Fleisch, wo die Verarbeitung nicht soviel wie bei Getreide ausmacht. Die Themen Rohstoffe und Inflation werden uns aus meiner Sicht noch lange beschäftigen.

derStandard.at: Österreichs Bundeskanzler Alfred Gusenbauer hält einiges von einer Steuer auf Spekulationen auf den Ölmärkten. Eine gute Idee?

Weinberg: Das wäre nicht schlecht, aber in der Praxis nicht machbar, denn viele Anleger sind etwa in Rohstoff-Indizes oder andere Derivate investiert, bei denen der Ölanteil nicht einfach zu beziffern ist. Wenn jemand Einfluss auf den Markt hat, dann sind es amerikanische Politiker und Börsen. Immerhin ist bei Rohöl die Rohstoffbörse NYMEX der größte Handelsplatz der Welt. In den Vereinigten Staaten ist aber tatsächlich das Interesse, hier etwas zu unternehmen, um eine höhere Transparenz zu erzielen und den Einfluss der Investoren auf den Ölmarkt zu begrenzen, deutlich gestiegen.

derStandard.at: Sind die "Spekulanten" Nutznießer eines vorhandenen Trends oder erzeugen sie diesen Trend?

Weinberg: Eigentlich sollten die Anleger nur vom Trend profitieren. In der Praxis sieht es aber oft anders aus. Die Anleger beschleunigen den Trend und treiben ihn oft in Höhen, die fundamental nicht nachvollziehbar sind. Von den Ölsorten, die zur physischen Lieferung der WTI-Kontrakte an der NYMEX herangezogen werden, werden täglich lediglich 300-400 Tausend Barrel hergestellt. Gehandelt werden allein an der NYMEX die WTI-Kontrakte im Wert von über 500 Mio. Barrel pro Tag. (Regina Bruckner)