Das Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte (ESO) in Chile.

Foto: ESO
Als die Verhandlungen mit der Europäischen Südsternwarte (ESO) über einen Beitritt Österreichs im vergangenen Jahr platzten, war Sabine Schindler so sauer, dass sie sich für eine Professur in Deutschland bewarb. Der Ruf kam. Nun will Schindler der Uni Innsbruck doch als Leiterin des Instituts für Astro- und Teilchenphysik erhalten bleiben. Schließlich hat es in der Zwischenzeit mit dem ESO-Beitritt ja doch noch geklappt.

Nach zuletzt Finnland, Tschechien und Spanien wird Österreich 14. Mitglied des seit 1962 bestehenden Forschungsverbunds, der mehrere Teleskope in der chilenischen Atacama-Wüste betreibt. Entsprechend dem BIP errechnet sich der jährliche Beitrag für Österreich auf drei Millionen Euro. Als Beitrag zur bestehenden Infrastruktur sind 18 Millionen Euro über fünfzehn Jahre in Raten zu zahlen sowie sechs Millionen in Software, Technologie und Dienstleistungen zu entrichten.

Es herrscht Aufbruchstimmung bei den Astronomen des Landes. Schindler bekommt in Innsbruck einen Kollegen, da ein zweiter Lehrstuhl eingerichtet wird. An der Universität Wien werden zwei Professuren neu besetzt. Am Doktorandenkolleg "Der kosmische Materienkreislauf", das im vorigen Wintersemester gestartet wurde, stellen sich junge Wissenschafter auf die Nutzung der ESO-Teleskope ein.

Das zur Österreichischen Akademie der Wissenschaft gehörende Institut für Weltraumforschung in Graz richtet eine Nachwuchsgruppe ein, die sich der Eigenschaften von Planeten außerhalb unseres Sonnensystems annimmt.

Auch Forscher, die sich für die Entstehung des Universums interessieren, werden durch den Beitritt international konkurrenzfähig. Derzeit, so Schindler, könne sie ihr Fach jungen Leuten nur empfehlen. Mindestens zehn bis zwanzig Jahre werde der Boom der Astronomie sicher anhalten. Allein schon wegen der Fülle an neuen Teleskopen und Instrumenten, die gerade gebaut oder geplant werden.

Treffen der Community

Einen Überblick über die Projekte bekam man vergangene Woche in Marseille, wo fast 2000 Vorträge zu allen möglichen Aspekten neuer Beobachtungstechnologie gehalten und neue Instrumente mit flutschenden Namen wie Pepsi, Espresso und SixPak präsentiert wurden. Außer Astronomen und Technologen waren auch Vertreter von Industrie, Militär und Geheimdiensten auf der Konferenz mit dem doppeldeutigen Namen "SPIE" vertreten, sowie jede Menge Lobbyisten. Ob optische oder Radioteleskope, Infrarot- oder Röntgensatelliten: Jede Technologie habe ihre Community, die um neue Projekte werbe, sagt Schindler.

Der letzte Call der Europäischen Weltraumagentur (ESA) brachte mehr als fünfzig ausgefeilte Vorschläge für neue Missionen. Die ESO berichtete über Fortschritte in der Planung des European Extremely Large Telescope mit einem 42-Meter-Spiegel, was ein gigantisches Gebäude von achtzig Meter bis neunzig Meter Durchmesser erfordert. Projekte wie ALMA, das 66 zusammenwirkende Radioteleskope vereint, oder das als Hubble-Nachfolger bezeichnete James Webb Space Telescope werden von Europäern, Amerikanern und Asiaten gemeinsam finanziert.

In Marseille sorgte auch China für Aufsehen mit einem Projekt namens FAST. In einer natürlichen Senke bei Guizhou soll eine Antenne mit einer Spannweite von 500 Metern entstehen. (stlö, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 2. Juli 2008)