Wir sind nicht gegen Europa. Wir sind nur gegen diesen unsozialen, reaktionären EU-Vertrag und wollen ein anderes Europa, ein Europa der Bürger!" Ein schönes, griffiges Argument ist das, das viele sofort unterschreiben würden: Es klingt idealistisch, harmlos. Aber in bestimmten Situationen wirkt es wie schleichendes Gift.

Angesichts der aktuellen Europadebatte im Land könnte man glauben, dieses Zitat komme direkt aus der in EU-Sachen gewendeten Faymann-SPÖ neuen Stils. Österreichische Gewerkschafter reden neuerdings gerne so.

Aber weit gefehlt: Die Parole ist drei Jahre alt und direkt der Anti-EU-Kampagne der französischen Linken rund um Ex-Premierminister Laurent Fabius entnommen. Dieser hatte bei der Volksabstimmung im Juni 2005 den entscheidenden Beitrag zum Nein der Franzosen gegen die EU-Verfassung geleistet - was zu der bis heute andauernden Krise der EU geführt hat. Das Nein der Iren zum EU-Vertrag von Lissabon, die jüngste taktische Verweigerung der Vertragsratifizierung durch Polens Staatspräsident Kaczynski - alles nicht zuletzt auch eine indirekte Folge dessen, wenn aus staatstragenden Parteien heraus bei politischen Grundsatzfragen mit dem Feuer des Populismus gespielt wird.

Auch bei Fabius hatte es zunächst unscheinbar begonnen: Seine Partei trat offensiv für die EU-Verfassung ein. Und der Ex-Premier ritt seine Anti-Kampagne aus ganz anderen - innenpolitischen - Motiven: Er wollte Staatspräsident Chirac treffen und selbst Präsident werden.

Nicht nur deshalb haben die SPÖ-Spitzen in Wien, die machtpolitische Motive für den Schwenk haben und deshalb einen europapolitischen Ablenkungsangriff starteten, auch allen Grund, sich intensiv mit den Langzeitfolgen des roten Neins in Frankreich zu beschäftigen.

Die Kampagne der Linkssozialisten war flankiert von zahlreichen Gruppen von Rechtsextremen um Le Pen, den Kommunisten, den Globalisierungsgegnern und allerlei Radikalen. Und die legen die Latte immer höher: Was als EU-kritische Haltung beginnt, wird zur Ablehnung von Verträgen, und geht weiter bis hin zur Forderung nach Abschaffung oder Austritt aus "dieser" EU.

Aber die Radikalen hätten es allein nicht geschafft, die Franzosen mehrheitlich gegen die EU aufzubringen. Fabius und die Seinen gaben den Ausschlag - mit wahrlich fatalen Folgen auch für die Partei. Sie ist bis heute total zerstritten, ohne Linie, ohne Führungsfigur, inhaltlich orientierungslos.

Die Geister, die Fabius gerufen hat, die wurde die PSF nicht mehr los. Frankreichs Konservative mit Präsident Nicolas Sarkozy sind die lachenden Dritten. Erstaunlich: Immerhin hatten Frankreichs Sozialisten mit ihrem proeuropäischen Kurs und mit zwei herausragenden Persönlichkeiten, Ex-Kommissionspräsident Jacques Delors und dem verstorbenen Langzeitstaatspräsidenten François Mitterrand, ganz entscheidende Beiträge zur Einigung Europas geleistet. Das könnte durchaus in Österreich ähnlich laufen: Denn es ist ein dummschlauer Wiener Schmäh, wenn Alfred Gusenbauer und Werner Faymann sagen, sie seien nur deshalb für Volksabstimmungen, um die Bevölkerung für die EU zu gewinnen. Es ist seit Jahren klar, was die Proponenten des EU-Referendums wollen: keine EU, zumindest aber eine ganz schwache. Da werden viele Rote schwach werden. Was der SPÖ nach ihrer EU-Wende die eine oder andere Spaltung bescheren könnte - und sei es nur, indem vor allem jüngere, gebildete Wähler ihre Stimme verweigern. Und: Die SP wird selbst zum "Spalter" in der EU. (Thomas Mayer/DER STANDARD, Printausgabe, 2.7.2008)