Rom - In Italien spitzt sich die Polemik wegen der wiederholten Angriffe des italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi zu. Nachdem Berlusconi am Freitag Richter und Staatsanwälte beschuldigt hatte, das demokratische System auf den Kopf stellen und ihn mit ihren Prozessen stürzen zu wollen, reagierte die Opposition empört. Oppositionschef Walter Veltroni kündigte eine Unterschriftensammlung gegen Berlusconi an. "Wir wollen fünf Millionen Unterschriften sammeln, um gegen eine Regierung zu protestieren, die die demokratischen Regeln ignoriert und nichts unternimmt, um Gehälter und Renten zu erhöhen, während das Land verarmt", betonte Veltroni.

In einer Pressekonferenz nach der Ministerratsitzung in Rom hatte Berlusconi am Freitag entschieden bestritten, dass er mit für sich "maßgeschneiderten" Gesetzen versuche, sich einer Verurteilung im Mailänder Korruptionsprozess, bei dem er auf der Angeklagtenbank sitzt, zu entziehen. "Ich brauche keine Gesetze zu verabschieden, um mich der Justiz zu entziehen. Ich kann mich selbst vor Gericht verteidigen. Ich bin der Rekordmann der Prozesse", sagte Berlusconi, der ein Projekt zur Reform des Justizsystems ankündigte.

Protest gegen Immunitätsgesetz

In Rom wächst auch der Protest gegen das von der Regierung verabschiedete Immunitätsgesetz, das die Aussetzung von Prozessen gegen hochrangige Staatsvertreter während deren Amtszeit vorsieht. 100 prominente Verfassungsrechtler haben ein Dokument unterzeichnet, mit dem sie das Parlament zum Boykott des Immunitätsgesetzes aufrufen. "Zum Schutz der Verfassung", heißt das Dokument, das von namhaften Experten, darunter dem Ex-Präsidenten des Verfassungsgerichts, Gustavo Zagrebelsky und Leopoldo Elia, unterzeichnet wurde.

Die Verfassungsrechtler zeigten sich wegen der kürzlich verabschiedeten Gesetze der Regierung Berlusconi besorgt. Das Immunitätsgesetz widerspreche der Grundcharta, derzufolge alle Italiener, auch die höchsten Staatsvertreter, vor der Justiz gleich sind. Alarm schlagen die Experten auch wegen der vom Senat abgesegneten Gesetzesänderung, derzufolge jene Verfahren für ein Jahr ruhen, die Tatbestände aus der Zeit vor Ende Juni 2002 betreffen. Die Gesetzesänderung wurde im Parlament von der Mitte-Rechts-Allianz als Möglichkeit zur Beschleunigung anderer Justizverfahren vorgestellt. Das Parlament habe nicht die Macht, Prozesse auszusetzen. Die Justiz sei verpflichtet, alle Vergehen zu verfolgen, hieß es im Dokument der Verfassungsrechtler.

Auch der nationale Richterverband ANM äußerte erneut Bedenken über die Legitimität von Berlusconis Gesetzprojekten. Der Verband wandte sich an Staatspräsident Giorgio Napolitano mit der Bitte, die demokratische Ordnung in Italien zu gewährleisten. In Wirklichkeit, so die Staatsanwälte und Richter, sei Berlusconi subversiv und plane Anschläge auf die Demokratie, indem er die Unabhängigkeit des Justizsystems, auch durch neue Gesetzesvorhaben, zu untergraben suche.

Inzwischen fiebert die Bürgerbewegung "Girotondi" der am Dienstag geplanten Protestkundgebung gegen Berlusconi in Rom entgegen. Es handelt sich um die erste Demonstration gegen die Mitte-Rechts-Regierung seit dem Wahlsieg des Medienzaren im vergangenen April. Der Demonstration wollen sich der Schriftsteller Andrea Camilleri und der Komiker Beppe Grillo anschließen. Noch unklar ist, ob Starregisseur Nanni Moretti, Mitbegründer der "Girotondi"-Bewegung, dabei sein wird. (APA)