Wer eine durcherzählte Geschichte erwartet, wird enttäuscht. Er sollte schnell zu einem anderen Buch greifen. Wer seinem Kind den Wert von Freundschaft näherbringen will, liegt hingegen goldrichtig. Ein Freund heißt das neu erschienene Buch von Anette Bley ganz schlicht. Mehr braucht es vielleicht auch im wahren Leben nicht. Einen Menschen, der (so ziemlich) alles weiß, auch wenn man ihm nicht gleich alles frei Haus erzählt. Und damit sind wir schon beim Inhalt. Bley reiht Argument an Argument, wofür es einen Freund braucht, was er/sie für eine geglückte Freundschaft "mitbringen" soll. Die deutsche Autorin und Illustratorin zeigt jenes Fingerspitzengefühl, das sie bereits bei anderen, weitaus heikleren Gebieten bewiesen hat: Das kummervolle Kuscheltier ist etwa ein Bilderbuch über sexuellen Missbrauch, Und was kommt nach tausend? behandelt das Tabuthema Tod. "Ich wünsch mir einen Freund ...", beginnt Bleys Buch. Einen gegen Langeweile, einen, der tröstet, der mutig genug ist, einem die Wahrheit ins Gesicht zu sagen, wenn andere heimlich über einen lachen, oder einen, der auch Fehler verzeiht. So viele Gründe Bley findet, so viele Gesichter hat sie den Freunden gegeben: die Oma, die Tanzlehrerin, Hasen oder der Bergführer. Und am Ende des Buches können die Kinder selbst aussuchen, wer ihr passender Freund für welche speziellen Momente ist. Wer immer es auch ist, der einem seine Freundschaft schenkt: Glück gehabt. Leider gehen manche viel zu früh. (Peter Mayr/DER STANDARD-Printausgabe, 5.7.2008)