Die Welle der Begeisterung über den Kniefall der SP-Spitze vor dem Herausgeber der "Kronen Zeitung" hat sich im Kleinformat noch nicht so richtig zum Überschwappen angeschickt, da fiel in der ÖVP auch schon - endlich - die Entscheidung für Neuwahlen. Spät, aber doch sah sich Wilhelm Molterer genötigt, das Gesetz des Handelns nicht den beiden Briefschreibern zu überlassen, brandet seiner Partei doch aus der "Krone" jene Welle anderer Natur entgegen, wie sie vom dortigen Bademeister je nach Laune leicht in Bewegung zu setzen ist: die Welle empörter Reaktionen , wenn man nicht nach seiner Pfeife schwimmt, und vor der einen nur eine Entschuldigung bei den Österreichern oder der Rücktritt retten kann .

Sonst mediale Exekution. Als Zweite traf es EU-Kommissarin Benita Ferrero-Waldner, die am Wochenende zu der unpräzisen, aber wohl gezielten Äußerung ausgeholt hat: "Ich schäme mich für Österreich." Und wenn Schämen für Österreich angesagt ist, wittert Hans Dichand mit seinem berühmt untrüglichen Gespür, dass sich da nicht für Österreichs schöne Berge, für W. A. Mozart oder die gleichnamigen Kugeln geschämt werden soll, sondern für etwas, das irgendwie mit ihm zu tun hat. Und da kennt er keinen Pardon. Ferrero-Waldner: Rücktritt fällig! lautete die Schlagzeile der "Krone" am Montag.

Eine derartige Distanzierung eines EU-Kommissars von der öffentlichen Meinung des Heimatstaates ist dennoch gelinde gesagt ungewöhnlich, hieß es als Begründung, wobei man die Formulierung gelinde gesagt ungewöhnlich als euphemistische Umschreibung für den bodenlosen Skandal werten muss, dass eine kleine EU-Kommissarin es wagt, sich von der öffentlichen Meinung des Heimatstaates zu distanzieren, für die sich die "Kronen Zeitung" zuletzt von der Regierungspartei SPÖ das Copyright sichern ließ.

Und daran zu kratzen, ist ein Delikt, das unbarmherzige Ahndung nach sich zieht. Statt bei Überzeugungsarbeit in Österreich ist aber Frau Ferrero-Waldner in der Regel in der Hochdiplomatie zu sichten, wo sie auf internationalen "Geber-Konferenzen" das Geld der EU-Nettozahler, also der Österreicher, verschenkt.

Pfui Teufel, wird es ab sofort den wackeren Leserbriefschreiber des Blattes angesichts der skandalösen Äußerung unserer EU-Kommissarin vor Ekel schütteln, fällt ihm demnächst doch ganz von selbst ein, was er lesen muss: Auch von Anstrengungen gegen den bürokratischen Sadismus der Eurokraten in Brüssel ist wenig zu spüren. Und wäre es nur das. Leider hat Benita Ferrero-Waldner in Brüssel Aufgaben in Österreich ebenso vergessen wie den Visa-Skandal, den sie ihrer Nachfolgerin vererbt hatte.

Wer aber glaubt, dieser Person - dem prominenten Opfer eines unmoralischen Angebots des "Krone"-Herausgebers - würde nun Wiedergutmachung zuteil, der irrt. Mit der Erteilung der Antwort auf ihren offenen Brief, die Dichand bis heute schuldig geblieben ist, wurde am Wochenende Michael Jeannée betraut, der es in gewohnt sachlicher Weise, beeindruckt von Ihrer nonchalanten Inkompetenz und wenig herzlich anging. In Mali, irgendwo in der sengenden Wüste - 50 Grad im Schatten, kaum Trinkwasser, eiskalte Nächte - bangen seit 117 Tagen die Salzburger Geiseln Andrea Kloiber und Wolfgang Ebner um ihr Leben. Ein Drama, das eindeutig in Ihren Zuständigkeitsbereich fällt, wenn Sie verstehen, was ich meine. Und ein Drama, in dem Sie in der Tat zur "Heldin" avancieren könnten. Dann nämlich, wenn Sie Ihre Arbeit täten, statt offene Briefe . . . und so weiter und so fort.

Jetzt kommt's darauf an, ob Frau Plassnik versteht, was Jeannée meint. Leicht ist es nicht, ihm beim krausen Zwangsvollzug der Blattlinie zu folgen. Verstanden, was die "Krone" meint, hat Kämmerer Christoph Leitl, indem er sich als EU-Beiträger einstellte und dem Blatt den Sonntagsaufmacher lieferte: Europa muss den Bürgern dienen! Obwohl nicht auf SP-Linie, was die Volksabstimmung betrifft, wird Leitl dennoch auf "Krone"- Linie getrimmt. Tag für Tag erhalten wir Zustimmung zu der Idee, aufgrund der Sozialpartnerschaft einen Neubeginn zu wagen, etwa im Sinn des Briefes von Bundeskanzler Gusenbauer und Werner Faymann, schreibt da ein nicht näher genannter ich als Herausgeber der "Kronen Zeitung". Nur sein Deutsch verrät ihn und sein Wille zur Vereinnahmung. Dass Dichand seit Monaten für die Idee kämpft, in der EU aufgrund der Sozialpartnerschaft einen Neubeginn zu wagen , ist bisher untergegangen. So wird man verkannt. Wenn das nur der Faymann im Wahlkampf aushält. (Günter Traxler, DER STANDARD; Printausgabe, 8.7.2008)