Bild nicht mehr verfügbar.

Die Interessen von 27 EU-Mitgliedsstaaten auf einen Nenner bringen - das erweist sich in außenpolitischen Belangen als durchaus problematisch.

Foto: APA/EPA/BARBARA WALTON

Zur Person

Dr. Carola Bielfeldt unterrichtet am Institut für Politikwissenschaften der Universität Innsbruck. Ihre Forschungsschwerpunkte umfassen unter anderem Europäische Sicherheitspolitik, Friedens- und Konfliktforschung und Konflikttheorie.

Foto: uibk.ac.at
Seit Jahren versucht die EU, durch Aufrüstung und Einsätze militärisch "glaubwürdiger" zu werden. Eine Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) soll helfen, die unterschiedlichen außenpolitischen Interessen der Mitgliedsstaaten in eine Richtung lenken. Kein leichtes Unterfangen, wie die Politologin Carola Bielfeldt betont. Denn die Staaten beharren auf ihre souveräne Entscheidungsgewalt in der Außenpolitik. Außerdem unterstreicht die Wissenschafterin im Interview mit Christa Hager, dass die Ausrichtung der GASP auf Sicherheit die Entwicklungspolitik in eine falsche Richtung lenkt. Ihr Fazit: Eine solidarische Entwicklungspolitik der Union gibt es nicht.

* * * * *

derStandard.at: In welche Richtung bewegt sich die EU militärisch?

Carola Bielfeldt: Generell sind zwei Entwicklungen denkbar: Zum einen, dass sich die Union weiterhin an die Rockschöße der imperialen US-Macht klammert. Die Botschaft diesbezüglich lautet: "Wir nehmen, was wir im Kielwasser der Macht vorfinden. Das reicht uns. Denn unsere Interessen sind weitgehend die gleichen. Und das, was wir investieren müssten, um auf Augenhöhe zu kommen oder um ein ernstzunehmender Verhandlungspartner zu sein, das sparen wir uns."

Auf der anderen Seite möchte die EU in der Welt als "global player" mitspielen. Wobei sich hier die Frage stellt: Kann es überhaupt zwei "global players" geben? Was kann der Schwächere im Fall von Interessenskonflikten überhaupt tun? Da ist es vielleicht sinnvoller, das ganze Unternehmen gleich bleiben zu lassen.

derStandard.at: Voraussetzung für letztere Option wäre, dass die Union außenpolitisch mit einer Stimme spricht.

Bielfeldt: Die EU-Staaten wollen ein Omelett machen, ohne die Eier zu zerschlagen. Sie wollen ihre eigenen Gestaltungsmöglichkeiten nicht aufgeben.

Hinzu kommt, dass die Staaten alle sehr unterschiedliche historische Erfahrung mit Machtpolitik gemacht haben: sie unterscheiden sich in Bezug auf koloniale Vergangenheit, in Bezug auf atomare Bewaffnung und in Bezug auf ihr Verhältnis zu den USA. Jedes Land bringt ganz andere Zusammenhänge mit. Das alles in eine Strategie zusammenzulegen ist natürlich enorm schwierig und problematisch.

derStandard.at: Ein Beispiel für diese Uneinigkeit ist die umstrittene Raketenabwehr der USA in Osteuropa.

Bielfeldt: Ja. Wie beim Irak-Krieg betrachten die Mitgliedsländer das Problem des Raketenabwehrsystems als nationale Angelegenheit. Es kommt offenbar niemand auf die Idee, zunächst mal eine EU-interne Abstimmung dafür zu machen.

Hinzu kommen noch Ressentiments der alten Mitgliedsstaaten über die "Undankbarkeit" der neuen Mitgliedsstaaten, die trotz EU-Beitritt weiterhin eine eigenständige Außenpolitik verfolgen. Ein heuchlerischer Vorwurf - wenn man bedenkt, dass die alten EU-Länder ihre eigene Außenpolitik ebenso fortsetzen.

derStandard.at: Welche Rolle wird in Zukunft ein UNO-Mandat bei Einsätzen spielen? EU-Außenkommissarin Ferrero-Waldner hat eine schnelle Eingreiftruppe in Aussicht gestellt, die auch ohne Mandat aktiv werden kann.

Bielfeldt: Die EU wird sich sicherlich dieses Recht herausnehmen. Besonders, wenn es notwendig ist, wie zum Beispiel im Fall von Völkermord. Auf der anderen Seite will sich die EU hier natürlich auch einen Entscheidungsspielraum öffnen, der nicht nur auf diese Fälle beschränkt bleibt.

derStandard.at: Welche Tendenzen beobachten sie in der österreichischen Außenpolitik – auch in Bezug auf die Europäische Union?

Bielfeldt: Österreich verhält sich ausgesprochen reaktiv. Ganz im Gegensatz zu den anderen neutralen - oder ehemals neutralen - Ländern Skandinaviens. Die sind besonders bei der Konfliktprävention aktiv.

Hinzu kommt, dass Österreich durch die Neutralität in einer widersprüchlichen Situation ist. Nach den Amsterdamer Verträgen und der Verfassungsänderung durch den Artikel 23f ist das Land gar nicht mehr neutral - wenngleich es politisch noch immer danach handelt. Österreich hat keine wirkliche klare Position, es dreht sich mit dem Wind.

derStandard.at: Sind die Eurofighter kein klares Bekenntnis?

Bielfeldt: Ihr Kauf spiegelt sicherlich den absurden Wunsch nach Anerkennung innerhalb der EU wider. Mit diesem Gerät möchte Österreich das Image loswerden, dass es nur Trittbrettfahrer ist. Man glaubt offenbar, dafür etwas zu bekommen - oder zumindest nicht mehr abschätzig beurteilt zu werden. Die Eurofighter signalisieren aber auch, dass man in Zukunft mit den gerüststeten Nationen mitmischen will.

derStandard.at: Österreich ist Teil der EU-Mission im Tschad und in der Zentralafrikanischen Republik. Der Einsatz wird unter anderem mit Entwicklungshilfe gerechtfertigt. Wird das Militär nun Entwicklungshelfer?

Bielfeldt: Es hat immer schon Bestrebungen der EU-Staaten gegeben, militärische Aktionen als Entwicklungszusammenarbeit (EZA) anzurechnen. Die Tschad-Mission Österreichs ist das erste – und sicherlich nicht letzte - Mal, dass ein Land von der OECD die Zusicherung bekommen hat, Teile der Kosten als Entwicklungszusammenarbeit zu berechnen.

Doch das ist ein Schritt in die falsche Richtung! Es kann nicht sein, dass der Entwicklungshaushalt den Verteidigungshaushalt finanziert. Hier werden entwicklungspolitische Grundsätze "versicherlicht". Woraus folgt, dass die ärmsten Länder nach sicherheitspolitischen Überlegungen gefördert werden, und nicht mehr nach entwicklungspolitischen.

derStandard.at: Ist eine uneigennützige Entwicklungshilfe überhaupt möglich?

Bielfeldt: Staaten verfolgen ganz gezielte Interessen. Sie handeln nicht altruistisch! In diesem Sinne ist Entwicklungshilfe kein Ziel an sich, sondern sie soll die beiden Ziele - Wohlstand und Sicherheit im Westen – ermöglichen. Staaten machen Entwicklungspolitik nicht auf Grund von Solidarität mit den Ländern des Südens. Darum bringt auch die Moralkeule nichts, wenn man von der EU mehr Solidarität mit den Ländern der Dritten Welt fordert.

derStandard.at: Soll man Entwicklungshilfe stoppen?

Bielfeldt: Viele Entwicklungsexperten, auch in der "Dritten Welt", argumentieren in diese Richtung. Denn die Bilanz der EZA fällt ernüchternd aus. Es heißt, sie sei Grund für die Armut im Süden. Deswegen wird sie oft auch als "tödliche Hilfe" bezeichnet. Fakt ist: Wir brauchen eine strukturell erneuerte Entwicklungspolitik. Denn Entwicklungspolitik ist nur dann denkbar und effektiv, wenn sie langfristig angelegt ist und wenn sie beiden Seiten nutzt. (Christa Hager, derStandard.at, 9. Juli 2008)