Wien - Wie in den Jahren 2003 bis Mitte 2004 ihre finanzielle Situation ausgesehen habe, will Richterin Daniela Setz-Hummel von der angeklagten Kyra S. wissen. "Vollkommen normal", antwortet diese mit ihrer wohltönenden, geschulten Schauspielerstimme. "Ich habe ja immer auf kleinem Fuß gelebt."

Ob es nicht vielleicht doch finanzielle Schwierigkeiten gegeben habe, weil es zahlreiche Exekutionen gab", hakt Setz-Hummel nach. "Das waren alles ja nur kleine Beträge" - für Kyra S. Die Richterin beginnt aufzuzählen: Die Sozialversicherungsanstalt, die Banken, Versicherungsgesellschaften - elf Exekutionsverfahren, bei denen es um eine Gesamtsumme von 110.000 Euro ging.

Im gleichen Zeitraum - also vom März 2003 bis Juli 2004 - hatte Kyra S. allerdings gleichzeitig mit ganz anderen Summen jongliert. Von ihrer Ex-Lebensgefährtin soll sie 10.000 Euro erhalten haben, bei einer Frau und einem Mann gab es Darlehen über 150.000 beziehungsweise 70.000 Euro. Von einer weiteren Frau erhielt sie 155.000 und dann noch einmal 50.000 Euro, und ein weiterer Mann nahm einen Kredit über 100.000 Euro auf.

Geschichten variierten

Die Geschichten, mit denen Kyra S. in Wien und in Mainz unterwegs war, variierten ein wenig. Einmal hieß es, sie sei Eigentümerin wertvoller Geigen, die zur Hälfte ihrem Onkel gehören. Dieser müsse ausbezahlt werden - um dann die Instrumente um viel mehr Geld verkaufen zu können. Ein anderes Mal hieß es, sie verkaufe gerade vier Geigen - drei Stradivari und eine Guarneri - einem Mitglied des spanischen Königshauses.

Nur: Diese vier Meistergeigen hatte Kyra S. nie in der Hand. Sie legte lediglich Bewertungsgutachten vor sowie ein höchst ominöses "Safe Keeping Receipt", eine "Verwahrungsbestätigung". In dieser steht, dass der Geigenhändler Dietmar M. die drei Stradivaris und eine Guarneri im Gesamtwert von 19,3 Millionen Dollar für Kyra S. aufbewahre.

"Tausch" mit sieben Celli

Bei der Einvernahme nach ihrer Verhaftung erklärte Kyra S., sie habe diese vier Geigen von Dietmar M. erhalten - im Tausch gegen sieben Celli aus der von ihrem Großvater geerbten Instrumentensammlung.

In dieser Sammlung habe es insgesamt rund 80 bis 90 Instrumente gegeben, erklärt Kyra S. am Mittwoch im Wiener Landesgericht; sie habe sie teils geerbt, teils selbst erworben. Dokumentiert wurde diese Sammlung allerdings nie. Nur das Foto einer Geige kann Kyra S. vorlegen und den Kauf einer Geige übers Internet belegen. Und Richterin Setz-Hummel weist darauf hin, dass es Kyra S. auch erst in der fünften polizeilichen Einvernahme eingefallen war, dass es diese Sammlung gegeben haben soll.

Tauschzeitpunkt

Von den sieben Celli will Kyra S. zum Tauschzeitpunkt nur zwei selbst gehabt haben, die restlichen seien über Mittelsmänner Dietmar M. überbracht worden. Und eine Tauschvereinbarung? Die habe es gegeben, so Kyra S.: "Die lag in meiner Wohnung, aber die ist geräumt worden."

Der Geigenhändler Dietmar M. hat mittlerweile gegenüber dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel erklärt, er habe mit dem "Safe Keeping Receipt" ein "bisschen tricksen" wollen. Da er die Instrumente selbst geschätzt habe, sollte über das Receipt der Eindruck erweckt werden, dass Kyra S. die Geigen gehörten - ohne dies explizit zu formulieren. So sei es leichter, den von ihm geschätzten Preis zu erzielen. Vor Gericht wird M. seine Version bei der Zeugeneinvernahme Ende August darlegen können. (Roman David-Freihsl/ DER STANDARD Printausgabe 10.7.2008)