Graz – Vor zwei Jahren befand sich die Fanwelt des SK Sturm im Schockzustand. Die Grazer Justiz hatte Hinweise aus Deutschland erhalten, dass der damalige Trainer Michael Petrovic und Mittelfeldspieler Bojan Filipovic in eine unappetitliche Wettaffäre um Manipulationen von Sturm-Spielen verwickelt sein sollen.

Verfahren läuft

In Deutschland wurden die Drahtzieher der Affäre vor einigen Monaten rechtskräftig zu Haftstrafen verurteilt. In der Urteilsschrift, die jetzt dem Standard vorliegt, wird darauf hingewiesen, dass einer der Verbindungsmänner, Dragan Antic, genau wegen dieser Manipulationsversuche mit Petrovic und Filipovic verurteilt worden sei. In Österreich läuft das Verfahren gegen beide noch.

Aus den Akten und Telefonprotokollen zur Causa lässt sich herauslesen, dass der damalige Fußball-Wettskandal weit größere Dimensionen annehmen könnte. In den Justizunterlagen wird fast die halbe Bundesliga anno 2006 als "manipulationsverdächtig" klassifiziert. Der Ablauf der möglichen Wettbetrügereien wird hier exakt beschrieben: Über Kontaktmänner sollen Spieler und Trainer, die zum Beispiel finanziell am Ende sind, angesprochen werden. Zitat aus den Ermittlungsergebnissen: "Ziel war es, die Spielergebnisse so zu steuern, dass den von der kriminellen Organisation im Vorfeld der betreffenden Spiele abgeschlossenen Fußballwetten entsprochen werden." Im Schnitt gab es 5000 Euro für "schlechte Spielweisen", wenn Spieler "passiv und defensiv spielen und insbesondere keine Torschüsse abgeben". 20.000 Euro wurden für "absichtlich einen Strafstoß zu verschießen" geboten.

"Spielwiesen sind die unteren Ligen"

Der Verteidiger von Petrovic und Filipovic, Matthias Strampfer, hält seine Mandanten trotz des Frankfurter Urteils aber für Opfer. Sie seien selbst "gelegt" worden. Der Mittelsmann habe Abmachungen nur vorgetäuscht und das Geld "für seine Wettleidenschaft" selbst eingesteckt. Filipovic und Petrovic würden im Herbst in Graz aussagen, "um alles aus der Welt zu schaffen". Anwalt Strampfer will das "Problem Wettbetrug" aber nicht leugnen: "Ich bin absolut überzeugt, dass solche Dinge passieren. Ich glaube aber, die Spielwiesen sind die unteren Ligen."

Wie ernst die Sache tatsächlich ist, lässt man beim Unternehmen Betradar, das ein elektronisches Frühwarnsystem für Wettmanipulationen betreibt, durchblicken. Die Gesellschaft scannt im Auftrag des DFB und der UEFA etwa alle deutschen Ligen auf Betrug. "Wir haben auch fürs Gericht in Frankfurt und die Behörden in Österreich Untersuchungen durchgeführt", heißt es. In den Berichten 2006 an die Justiz ist von "abgesprochenen Spielen" die Rede und davon, dass mehrere Vereine in "auffällige Wettbewegungen" verwickelt gewesen seien. Seit 2006 erhielt Betradar aus Österreich keinen Kontrollauftrag mehr. (DER STANDARD, Printausgabe, Freitag, 11. Juli 2008, Walter Müller)