Das Kunststück ist der in Dublin lebenden Autorin Tana French gelungen. Sie entwickelt eine klassische Krimihandlung – Mord am Beginn, dann die Mühen der Aufklärung –, aber sie löst nicht alles restlos auf, Geheimnisse bleiben – vor allem die des Ich-Erzählers und Ermittlers. Rob Ryan leidet an Amnesie. Er weiß, dass seine zwei kleinen Freunde aus dem Wald, der ihr Abenteuerspielplatz war, nie mehr aufgetaucht sind. Rob wurde damals ohne Erinnerung, aber unverletzt gefunden. Jetzt kehrt er als Erwachsener an den Schauplatz des Dramas zurück, denn auf dem Gelände wurde ein Mädchen ermordet und auf einem archaischen Opferaltar abgelegt.Rob müsste sich für befangen erklären – aber er ist von dem Fall gefesselt und hofft, dass sich niemand, vor allem nicht seine Assistentin Cassie, an die alte, unaufgeklärte Geschichte erinnert. French entwickelt komplizierte Charaktere, sie legt subtile Spuren, die scheinbar im Sand verlaufen. Das Unbehagen, das die Familie des ermordeten Mädchens auslöst, wird zum Leitthema, als herauskommt, dass der Vater der Toten als Jugendlicher ein Mädchen vergewaltigt hat. Indessen verschwindet der unheimliche Wald unter dem Angriff der Bulldozer; und das Gelände wird demnächst unter dem Asphalt einer Straße begraben sein. Was wird noch alles verschwinden? Eine gute Story, ein eigener Stil – erfreulich: Fortsetzung in Aussicht! (Ingeborg Sperl, ALBUM/DER STANDARD, 12.07/13.07.2008)