Wenn die Hypothekenriesen straucheln, geht es im US-Immobilienmarkt ums Ganze. Der Staat muss eingreifen.

Montage: Beigelbeck
Ein Kollaps der beiden würde Schockwellen um den Erdball senden. Wegen drohenden Kollapses wird die Verstaatlichung der Immobilienfinanzierer überlegt.

***

New York – An der Wall Street sieht man schon den real existierenden Sozialismus vor der Türschwelle: Fannie Mae und Freddie Mac, zwei Säulen der US-amerikanischen Finanzwirtschaft, könnten quasi reverstaatlicht werden. Dies wäre der Tiefpunkt der seit einem Jahr die Finanzwirtschaft hin- und herbeutelnden Krise.

"Die implizite Garantie, dass Fannie Mae und Freddie Mac immer von der Regierung aufgefangen werden würden, könnte explizit werden" , schreibt etwa der Newsletter Trader Daily am Freitag. "Die Steuerzahler könnten die Rechnung präsentiert bekommen. Oder das alles verdoppelt einfach die Staatsschuld." US-Finanzminister Henry Paulson und die Aufsichtsbehörden intensivierten am Freitag ihre Krisengespräche auf höchster Ebene. Im Mittelpunkt stehe eine Unterstützung der beiden Institute in ihrer "gegenwärtigen Form" , sagte Paulson. Analysten werteten dies nicht gerade als ein Indiz, dass der Staat seine schützende Hand über die Finanzinstitute halten werden.

Pleite dementiert

Mit Fannie und Freddie macht einfach so gut wie jedes amerikanische Geldinstitut, das sich mit Immobilienfinanzierung beschäftigt, sein Business. Die beiden waren so gut wie immer da, Fannie Mae seit 1938, Freddie Mac seit 1970. Erstere heißt eigentlich Federal National Mortgage Association, werden die Initialen FNMA englisch ausgesprochen, entsteht eben Fannie Mae. Freddie Mac wurde aus Federal Home Loan Mortgage Corporation, FHLMC.

Kontrolliert werden beide vom Office of Federal Housing Enterprise Oversight (OFHEO). Dieses bemühte sich jetzt rasch zu verlautbaren, dass alle Gerüchte über eine bevorstehende Insolvenz von Fannie Mae und Freddie Mac nicht stimmten. Ein ehemaliger Notenbank-Governeur eines Bundesstaates hatte selbiges in einem Interview nämlich behauptet. Die beiden Hypothekenverleiher verfügten über ausreichend Kapital, um ihre Aufgaben zu erfüllen, hieß es hingegen von anderer Seite.

Investoren wissen, dass die US-Regierung einen Zusammenbruch der beiden Institute nicht zulassen kann. In diesem Fall würde ein Kollaps des US-Immobilienmarktes drohen. Fannie und Freddie garantieren für die Hälfte des Zwölf-Billionen-Dollar-Marktes, der mit Immobilienkrediten gebildet wird. Und Investoren rund um den Globus sind wiederum in Papieren investiert, für die die US-Riesen garantieren.

"Panik"

Die Schockwellen, die die US-Immobilienkrise weltweit ausgesandt hat, wären nichts gegen jenes Beben, das dann entstehen würde. "Es gibt auf der Wall-Street eine richtige Panik, was die beiden betrifft" , zitiert die New York Times einen Ökonomen, der für Fannie Mae gearbeitet hat. Die Aktienkurse von Fannie Mai und Freddie Mac befinden sich auf Talfahrt, ausgelöst von einem einschlägigen Marktbericht der Investmentbank Lehman Brothers.

In den USA befürchtet man nun, dass der "Blutkreislauf des amerikanischen Häusermarktes" zusammenbrechen könnte, wenn die Banken schlicht das Vertrauen in Fannie und Freddie verlieren. Das könnte die Situation bringen, dass die beiden so hohe Risikoaufschläge zahlen müssten, dass es zu teuer werden würde, sich bei ihnen Geld zu leihen. Nicht zuletzt deswegen überlegt Washington staatliche Aufsicht. (szem/DER STANDARD, Printausgabe, 12.7.2008)