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Bentia Ferrero-Waldner: "Türkische Bedenken sind ausgeräumt".

Foto: AP/Metzel
EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner sieht in der neuen Union eine deutliche Verbesserung gegenüber dem Barcelona-Prozess. Es werde nun gemeinsam geplant und entschieden, sagte sie Michael Moravec in Brüssel.

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STANDARD: Die Mittelmeerunion ist eines der Prestigeprojekte der französischen Präsidentschaft, dem allerdings aus dem afrikanisch-arabischen Raum – etwa aus Libyen – auch einige Ablehnung entgegenschlägt. Was erwarten Sie sich von diesem Projekt und dem Gründungsgipfel am Sonntag?

Ferrero-Waldner: Das Wichtigste ist, dass es uns jetzt gelungen ist, eine ganz wichtige regionale Initiative mit einem neuen politischen Impuls zu versehen. Ein Impuls, der für viele von großem Interesse sein wird und der auch eine dreifache Verbesserung bedeutet: Erstens wird die regionale Zusammenarbeit zwischen den Staaten von der Ebene der Außenminister auf die der Staats- und Regierungschefs gehoben. Damit wird auch die Umsetzung der einzelnen Projekte einfacher.

Zweitens werden Norden und Süden in einer Co-Präsidentschaft gemeinsam entscheiden und planen – zu Beginn sind dies Frankreich und Ägypten –, und das wirkt auch dem manchmal erhobenen Vorwurf von südlicher Seite entgegen, die EU hätte in so einer Partnerschaft zu großes Gewicht. Und drittens werden damit auch große, transregionale Projekte möglich, die für alle etwas bringen.

STANDARD: Welche Projekte werden es in der Startphase sein?

Ferrero-Waldner: Wir denken etwa an Transportwege (eine nordafrikanische Autobahn, ein besseres Netz von Häfen im Mittelmeerraum), an die Entwicklung der Sonnenenergie, an Zivilschutzmaßnahmen im Mittelmeerraum und nicht zuletzt an die ökologische Sanierung des verschmutzten Mittelmeers.

STANDARD: Bis zuletzt war es unklar, wer von den eingeladenen Staats- und Regierungschefs überhaupt kommt. Wie sieht es da aus?

Ferrero-Waldner: Es hat jetzt auch Algeriens Präsident Abdelaziz Bouteflika zugesagt. Und damit übt im Moment einzig der libysche Staatschef Gaddafi Zurückhaltung.

STANDARD: Die arabischen Staaten werden sich mit Israel am Sonntag an einen Tisch setzen?

Ferrero-Waldner: Ja, so sieht es aus. Aber auch schon beim Mittelmeerunion-Vorgänger, dem Barcelona-Prozess, saßen auf Außenministerebene Syrien und Palästina etc. bereits neben Israel.

STANDARD: Steht bereits fest, wo das für die Projekte zuständige Generalsekretariat angesiedelt sein wird und wer erster Generalsekretär wird?

Ferrero-Waldner: Nein, das Sekretariat und sein Standort werden am Gipfel vermutlich noch nicht entschieden. Es gibt einige Kandidaturen, und am Ende muss es eine einstimmige Entscheidung geben. Ich gehe davon aus, dass diese Entscheidungen beim folgenden Außenministertreffen im November fallen könnten.

STANDARD: Wann könnten die ersten Projekte starten, und wie sollen sie finanziert werden?

Ferrero-Waldner: Die Idee ist, dass die Mittelmeerunion ihre Projekte nicht nur aus öffentlichen Gemeinschaftsgeldern, sondern sehr stark auch privat finanziert. Banken wie die Europäische Investitionsbank und die Weltbank werden zusätzlich gefragt sein und natürlich beteiligte Staaten, aber auch private Unternehmen.

STANDARD: Könnte das Projekt auch Hilfestellungen im Nahost-Friedensprozess geben und Annäherungen bringen?

Ferrero-Waldner: Es ist klar, dass der politische Dialog weitergeführt und intensiviert wird. Regionale Projekte können das Verständnis fördern. Aber wir wissen auch, dass es nicht einfach sein wird.

STANDARD: Wurden die Bedenken der Türkei ausgeräumt? Ankara befürchtete ja, dass die Mittelmeerunion als Alternative zu einem EU-Vollbeitritt geplant sein könnte.

Ferrero-Waldner: Aus meiner Sicht sind die anfänglichen türkischen Bedenken ausgeräumt. Denn auf der einen Seite ist die Türkei Kandidatenland, und der normale Prozess der Beitrittsverhandlungen läuft, wobei die Türkei noch viele Verpflichtungen einlösen muss. Auf der anderen Seite sollte die Türkei als Mittelmeer-Anrainerstaat bei der Mittelmeerunion dabei sein.