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Werner Faymann, Kanzlerkandidat

Foto: APA/Schlager
SPÖ-Chef Werner Faymann plaudert über die "Krone" und ihren Herausgeber Hans Dichand.

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STANDARD: Sie sind Spitzenkandidat der SPÖ und somit Kanzleranwärter. Ist es das, was Sie angestrebt haben?

Faymann: Ich habe es nicht angestrebt. Ich bin designiert, aber gewählt werde ich, so die Delegierten wollen, am 8. August. Generell muss ich sagen, dass ich in meinem politischen Leben – und ich war immer in der Politik – alles mit ganzem Einsatz gemacht habe. Als ich Wohnbaustadtrat war, wusste ich nicht, ob ich Infrastrukturminister werde, und als ich Infrastrukturminister wurde, wäre ich ein Hellseher, hätte ich gewusst, wie es weitergeht. Ich mache das jetzt mit vollem Einsatz. Aber ich wünsche mir nicht das Nächste oder das Übernächste.

STANDARD: Aber Kanzler zu werden wünschen Sie sich schon?

Faymann: Kanzler zu werden wünsche ich mir schon. Ja.

STANDARD: Wie ist Ihr Verhältnis zu Hans Dichand, seit wann kennen Sie ihn, wie oft sehen Sie ihn?

Faymann: Ich kenne ihn, seit ich Jugendfunktionär war, also sehr lange. Ich war damals 25. Heute bin ich 48. Ich habe ein gutes Verhältnis zu Hans Dichand. Ich habe aber auch zu anderen Menschen ein gutes Verhältnis, auch ein freundschaftliches Verhältnis. Dieser Leserbrief ist völlig falsch angekommen, so war das nicht geplant. Das hätte keine einseitige Information sein sollen. Darum habe ich mich auch entschuldigt, weil gilt, was ankommt, und nicht, was man wegschickt. Alfred Gusenbauer und ich wollten in der Kronen Zeitung selbst formulieren, was unsere Haltung zur Europäischen Union ist. Der Brief hat dann eine völlig einseitige Wirkung gehabt. Das tut mir leid, daraus lerne ich mit Sicherheit.

STANDARD: Sie brauchen die "Krone" im Wahlkampf, aber manche in der Partei sind sehr verärgert. Wie gehen Sie künftig mit dem Boulevard um?

Faymann: Ich habe schon vor, wenn jemand ein Interview möchte, das auch geben zu dürfen. Ohne dass ich in die Eifersuchtsfalle tappe, irgendjemanden gekränkt zu haben.

STANDARD: Sind Journalisten wirklich so schlimm?

Faymann: Nein, ich habe ein gutes Verhältnis. Nur bei diesem Leserbrief – und daher suche ich den Fehler bei mir – ist es mir wirklich gelungen, viele Menschen, die mir sehr wichtig sind, zu enttäuschen. Das war nicht meine Absicht.

STANDARD: Wenn man die Kommentare in der "Krone" liest, könnte man meinen, Hans Dichand sei der "Onkel Hans" für die SPÖ.

Faymann: Ich sage nicht "Onkel Hans" zu ihm. Das ist ein Unsinn. Aber eines ist ganz klar: Die Kronen Zeitung ist eine unabhängige Zeitung, und es wird niemandem gelingen, eine Parteizeitung aus der Krone oder aus anderen Zeitungen zu machen. Aber natürlich freut es mich, wenn eine politische Forderung durch einen Kommentar unterstützt wird. Und wenn ein politischer Inhalt kritisiert wird, dann hat das ebenfalls seine Berechtigung. Es geht darum, ob man durchbringt, wofür man steht. Man ist verantwortlich dafür, dass die Leute am Schluss wissen, dass wir für Europa sind. Aber wir sind kritisch zu den sozialen Fragen in Europa, Stichwort Lohndumping durch Liberalisierung, wir sind kritisch zu ökologischen Fragen in Europa, Kernenergie und Biosprit. Wir haben konkrete Inhalte, die wir für Europa, aber für ein Europa der Bürger, ein soziales und ökologisches Europa definieren. Dass ich angegriffen werde, weil eine Position zu viel oder zu wenig ist, zu planwirtschaftlich oder zu marktwirtschaftlich, zu wenig ideologisch links oder zu aalglatt rechts, damit muss ich leben. Aber dass die Bevölkerung weiß, wofür man steht, dafür bin ich in letzter Konsequenz selbst verantwortlich.

STANDARD: Wie gehen Sie mir dem Vorwurf um, Sie wären "aalglatt" ?

Faymann: Am liebsten ist mir ein Vorwurf, der nicht stimmt. Weil der stellt sich als falsch heraus. Ich gehöre zu den Politikern, die in der Lage sind, auszusprechen, wofür sie sind. Soziale Wärme gegen die Teuerung, das sagt jeder. Aber was heißt das konkret in Europa, in Österreich? Dem werde ich mich stellen, da werde ich keinen Diskussionen ausweichen, da werde ich klare Positionen formulieren. STANDARD: Stimmen die Umfragen, dass die SPÖ tatsächlich nur bei 21 bis 23 Prozent liegt?

Faymann: Ja. Wir waren im März bei 21 bis 23 Prozent, sind dann wieder auf 27, 28 Prozent angestiegen. Dann kam wieder der Streit, die Neuwahldrohung des Herrn Molterer, der Koalitionsbruch. Da sind wir wieder auf diese 21 bis 23 Prozent heruntergegangen.

STANDARD: Wird da bewusst tiefgestapelt, um eine Aufholjagd zu inszenieren?

Faymann: Glauben Sie mir, 40 Prozent wären mir lieber. Um es in der Fußballsprache zu sagen: Es ist besser, 2:0 in Führung zu liegen.

STANDARD: Wie wollen Sie den Rückstand auf die ÖVP aufholen?

Faymann: Warum überlegt ein so großer Anteil der Bevölkerung, dieses Mal vielleicht eine Oppositionspartei zu wählen? Das ist ein klassisches Protestverhalten. Man beteiligt sich als Wähler nicht mehr daran, wer in einer Regierung die Zukunft gestalten soll, sondern man beteiligt sich daran abzurechnen. Da geht es um Ärger und Groll. Die Leute sind enttäuscht. Jetzt gibt es nur einen geradlinigen Weg: Den Bürgern zu sagen, wie es zu diesen Enttäuschungen kam. Alfred Gusenbauer hat zu Unrecht sehr viele dieser Enttäuschungen direkt als Kanzler abbekommen, obwohl es der Vizekanzler war, der ihn blockiert hat. Es ist aber nicht der Blockierer gestraft worden, sondern der Erste. Alfred Gusenbauer hat gesagt, er tritt nicht mehr an. Und der, der die Blockaden hervorgerufen hat, im Tandem mit Schüssel, der tritt an und sagt, es reicht ihm? Das ist doch lächerlich. Seine eigenen Blockaden reichen ihm? Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Bevölkerung wirklich jemanden haben will, der die Hauptverantwortung dafür trägt, dass nichts weitergegangen ist.

STANDARD: Im letzten Wahlkampf gab es zwei zentrale Wahlversprechen der SPÖ, Eurofighter und Studiengebühren. Deren Nichteinhaltung führte zu schweren Irritationen. Wollen Sie wieder die Studiengebühren abschaffen?

Faymann: Ja. Ich habe ein klares Programm zu diesem Thema. Wir müssen die Universitäten rasch mit einem Bildungsschwerpunkt für die Studenten verbessern, dazu gehört auch die Abschaffung der Studiengebühren. Wir müssen die Hacklerregelung verlängern, wir müssen das Pflegegeld erhöhen. Wir haben ein klares Programm. Aber die wichtigere Frage ist, wie werden wir das durchsetzen. Am Wahltag entscheidet sich, wie viel Unterstützung man zur Gestaltung hat. Man muss eine Koalition bilden, und dann hängt es auch vom Koalitionspartner ab. Die ÖVP wollte nicht gemeinsam regieren, sie hat nur versucht, bei uns die Wähler zu vertreiben. Die-se Wählervertreibungsprogramme sind kalte Taktik, die aber schon ein paar Mal aufgegangen ist.

STANDARD: Warum sollte sich das bei einer neuerlichen großen Koalition ändern?

Faymann: Das hängt von den Personen ab. Ich habe mit Josef Pröll, mit der Wirtschaftskammer, mit den Landeshauptleuten vieles zustande gebracht. Es gibt in der ÖVP nicht nur Schüssel und Molterer, es gibt auch andere Personen.

STANDARD: Sie könnten also mit Pröll besser als mit Molterer?

Faymann: Das hat sich schon in den letzten eineinhalb Jahren gezeigt. (Michael Völker/DER STANDARD, Printausgabe, 12.7.2008)